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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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beseitigt und die Asche des Delinquenten nach der Sitte an einem unbekannten Ort in alle vier Winde verstreut worden war, hatte er es noch gerochen. Doch so war das Leben, Strafen gehörten dazu, auch die zum Tode.
    Bis zu jenem Tag in Kopenhagen Ende April hatte er sich die Entscheidung, ob solche Strafen gerecht waren, nie angemaßt. Diese Hinrichtung war unrecht gewesen, dessen war er sicher. Nur deshalb reiste der Junge nun mit ihm, als sein neuer Gehilfe. In Hamburg würde niemand fragen, wer Henrik war, woher er kam, wohin er wollte. Und zu welchem Zweck. Das vor allem.
    «Komm», sagte er, stand auf und löste die Fessel um die Vorderbeine der Pferde. Der Junge sprang auf. Er zog laut den Rotz hoch, wischte sich grob mit der Hand unter der Nase entlang und lachte.
    «Richtig so?», fragte er.
    «Schon ganz gut.» Taubner lächelte flüchtig. Der Eifer, ja, das Vergnügen, mit dem der Junge sich darin übte, das Gebaren eines Mannes ohne feine Erziehung anzunehmen, heiterte ihn stets auf.

KAPITEL 1
    Hamburg
    MONTAG, 26.   OKTOBER
    Es war einer dieser milden Herbsttage, die das Wissen um die Nähe der winterlichen Kälte und Dunkelheit absurd erscheinen lassen. Das Sonnenlicht funkelte schon ein wenig matt auf dem Alstersee und den Fleeten, doch es wärmte noch und ließ die Menschen, die an diesem Vormittag auf den Straßen unterwegs waren, ihre Schritte verlangsamen. Einige gerieten gar ins Schlendern, was in einer großen Hafen- und Handelsstadt wie Hamburg an einem ganz gewöhnlichen Wochentag durchaus ungewöhnlich war. Die Straßenhändler und die Blumenverkäuferinnen machten wieder bessere Geschäfte, man grüßte einander freundlicher als sonst, blieb hier und da stehen, um ein paar Worte zu wechseln, die sonst nicht gewechselt worden wären. Möglicherweise wurden sogar alte Feindschaften vergessen, wenigstens für diesen einen schönen Tag, dieses späte Geschenk des schon vergangenen Sommers.
    Natürlich galt das nicht für alle Menschen in der Stadt, hier und da wurde gestritten oder betrogen, rüde befohlen oder unerbittlich gestraft wie an allen anderen Tagen.
    «Ja, ja», murmelte Baumeister Sonnin, dessen Kopf eigentlich mit Wichtigerem als dem Für und Wider milder Spätherbsttage beschäftigt war, «es mag wohl doch an der Kraft der Sonne liegen, wenn die Wilden in den heißen Ländern zur Faulheit neigen.»
    Gestern Abend im Gasthaus
Zum Traubenthal
hatte er dasnoch vehement abgestritten und behauptet, jeder Mensch sei zur Disziplin und somit auch zur Selbstdisziplin fähig und überhaupt Herr seiner Entscheidungen und seines Tuns. Selbst Frauen und Wilde. Wodurch die Debatte in eine andere Richtung abdriftete, nämlich ob diese Wilden, die gelb-, schwarz- oder rothäutigen, überhaupt Menschen seien, bevor sie die Segnungen der christlichen Taufe genössen. Eine dumme, immer wiederkehrende Erörterung, die Sonnin überhaupt nicht gefiel.
    Er marschierte mit raschem Schritt durch all das Geschlender, bog in den langgestreckten Platz vor dem Rathaus ein und überlegte, ob er die Sache von der Sonne und den Wilden gerade nur gedacht oder womöglich laut ausgesprochen hatte. Er erinnerte sich nicht, auch hatte er nicht darauf geachtet, ob ihn jemand seltsam ansah. Auf so etwas achtete er nie, die Leute sahen ihn oft genug seltsam an. Was nur an der Dummheit der Leute liegen konnte, er selbst hielt sich ganz und gar nicht für seltsam. Er war der beste Baumeister der Stadt. Dass er es auf unübliche Weise geworden war, spielte keine Rolle. Die große Michaeliskirche in der Neustadt war sein Werk, nun gut, nicht
allein
sein Werk, aber zum größten Teil. Und die neuen Methoden, mit denen er den Abriss der nach einem Blitzschlag übrig gebliebenen Ruine und den Bau der neuen Kirche bewerkstelligt und vorangetrieben hatte, hatten seinen Namen und sein Können trotz aller Streiterei und Krittelei weit über die Stadt hinaus bekannt gemacht.
    Aber es stimmte, wenn er nicht besser auf sich achtgab, wurde er wunderlich. Wahrscheinlich wurde er nur alt. In der letzten Zeit ertappte er sich häufiger dabei, wie ihm in Gesellschaft oder auf belebter Straße ein grimmiges Stöhnen entfuhr oder er einen Gedanken laut aussprach. Leider auch, wenn es überhaupt nicht angebracht war, so wie in derletzten Woche, als er des dummen Geschwätzes um die ewige Repariererei an dem baufälligen Rathaus müde gewesen war. Der Blitz hätte St.   Michaelis verschonen und besser in das Rathaus fahren sollen. Das machte

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