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Mit dem Teufel im Bunde

Mit dem Teufel im Bunde

Titel: Mit dem Teufel im Bunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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werden ihn finden.»
    Van Witten war bekannt für starke Worte. Claes Herrmanns grinste, und während er dem schwitzenden, am Rande der Menge mit einem Tablett voller Kännchen und Tassen balancierenden Wirt mit zwei erhobenen Fingern das Zeichen für ‹zweimal-Kaffee-und-zwar-sofort› gab,grinste er noch breiter. In der Bude bei der Trostbrücke mochte die neue Flugschrift ausverkauft sein, hier würde er ganz gewiss eine ergattern. Und wenn er sie van Witten selbst aus der Tasche ziehen musste.
    ***
    «Nein», sagte die junge Madam Vinstedt. «Auf gar keinen Fall.» Leider klang es wenig entschlossen, so bemühte sie sich um ein besonders strenges Gesicht. «Wir haben auch gar keinen Platz für ihn», erklärte sie. Es war einfach zu früh. Obwohl sie seit fast einem halben Jahr verheiratet war, fühlte sie sich in ihrer neuen Rolle, ihrem neuen Leben als Ehefrau und ehrbare Bürgerin immer noch nicht ganz zu Hause. Manchmal erwachte sie am Morgen, spürte die feinen Laken, den schlafenden Mann an ihrer Seite, die Wärme seines Körpers, und es konnte geschehen, dass sie nicht wagte, ihn zu berühren, weil sie sicher war, das Trugbild werde sich dann auflösen. Sie wusste, es war kein Trugbild, es war glückliche Realität, dennoch fühlte es sich an wie ein geborgtes Leben, eine Leihgabe auf unbestimmte Zeit. Wie eine Rolle, die sie spielte? Wie eine Rolle, aber es war kein Spiel. Sie liebte ihren Mann und vertraute auf seine Liebe. Sie hatte viel für ihn aufgegeben, vielleicht zu viel. Aber hatte sie wirklich eine Wahl gehabt?
    Ein dezentes, gleichwohl unüberhörbares Räuspern holte sie aus ihren Gedanken in die Diele ihrer Wohnung zurück.
    «Nun ja», sagte Mamsell Elsbeth, «keinen Platz, sagt Ihr. Er braucht nicht viel Raum, und die zweite, die kleinere Kammer bei der Küche   … in anderen Häusern bekommen die Kinder nur einen Platz neben dem Feuer.»
    Sie strich nervös über ihren rundlichen Bauch undblickte auf das Objekt der Ablehnung hinunter. Sie hatte gewusst, dass es nicht einfach sein würde – die meisten Menschen verstanden nicht, was gut für sie war. Normalerweise brauchte eine junge Ehefrau kein fremdes Kind in ihrem Haushalt, aber wenn der Ehemann häufiger verreist als bei seiner Liebsten war, wenn es sich um eine Frau handelte, die ein tätiges, ungewöhnlich freies Leben mit einer ganzen Gruppe vertrauter Menschen gewöhnt war, war ein weiteres Mitglied in ihrem Haushalt geradezu zwingend nötig, wenn sie nicht in Melancholie versinken sollte. Davon war Elsbeth fest überzeugt.
    Für einen Moment allerdings ließ sie sich von Madam Vinstedts Nein anstecken. Sie sah den Knirps, den sie der jungen Hausfrau als Helfer für ihren noch jüngeren Haushalt antrug, mit deren Augen und begann zu zweifeln, ob die Idee tatsächlich so fabelhaft war, wie sie gedacht hatte. Tobias war dünn und für sein Alter klein, wobei ungewiss war, ob er, ein Findelkind, tatsächlich schon zehn Jahre zählte, wie in den Akten des Waisenhauses vermerkt. Seine Nase war breit, flach und leider nicht von niedlichen Sommersprossen geziert, sondern heftig gerötet. Womöglich hatte sie im vergangenen Winter zu viel Frost aushalten müssen. Die Ohren wirkten bei Gegenwind zweifellos hinderlich, dazu sein struppiges, kurzgeschorenes rostfarbenes Haar, das linke Auge, das nicht ganz genau in die gleiche Richtung blickte wie das rechte   … Zumindest die O-Beine würden sich auswachsen, es waren keine hübschen, aber gesunde und kräftige Beine. Das hatte sie gleich erfahren, als sie ihn kennenlernte. Er war schnell wie der Wind und konnte aus dem Stand springen wie eine Katze. Auch die Fäuste schwingen, was sie jetzt nicht erwähnen sollte.
    Auf den ersten Blick also war Tobias weder eine Schönheit, noch wirkte er wie ein tatkräftiger, vertrauenerweckenderHelfer. Sie begriff nun, dass sie sich weniger von den Bedürfnissen der Vinstedts hatte leiten lassen als von denen des Kindes. Was vermessen war. Schließlich war sie keine Dame, die sich in Wohltätigkeit ergehen konnte, sondern nur eine Köchin, wenn auch in einem der angesehensten Häuser der Stadt. Aber wer behauptete, nur reiche Leute konnten sich für ihre armen Mitbürger stark machen? Und wer wusste denn schon – in diesen Tagen, da plötzlich wieder so viel vom Teufel geredet wurde   –, ob es nicht Tobias’ Schutzengel gewesen war, der ihn ihr direkt vor die Füße geschubst hatte.
    «Vielleicht möchtet Ihr noch einmal darüber nachdenken,

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