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Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition)

Titel: Mit dem Wolf in uns leben. Das Beste aus zehn Jahren Wolf Magazin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elli H. Radinger
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Warum jetzt? Was war an diesem Wolf aus seinem Traum so anders, dass er gerade jetzt an der Jagd zweifelte? An diesem letzten großen Abenteuer, wo ein Mann sich noch als Mann fühlen durfte, wo man längst vergessen geglaubte Instinkte ausleben durfte. Das war ehrlich und direkt. Mann gegen Kreatur, ohne Tricks, ohne Schlichen. Der Stärkere überlebte. So war die Natur. Und außerdem, das Tier hatte eine faire Chance zu entkommen oder sich zu wehren. Vor drei Jahren in Afrika, wie war es da? Der Löwe hatte ihn fast erwischt; hatte sich einfach ins Gebüsch geduckt und auf ihn gewartet, die Bestie. Das war verdammt knapp gewesen.
    Doch egal wie er es drehte und wendete, wie sehr er sich einzureden versuchte, dass es schließlich nur ein Traum war, er konnte die Zweifel und die Angst nicht beiseite wischen.
    Thomas Reed hatte sich von den anderen Jägern getrennt und lief durch den Wald. Es wurde langsam dunkel, und die Schatten wurden länger und tiefer. Ein lang gezogenes, unheimliches Heulen schickte ihm eisige Schauer über den Rücken. Vorsichtig bewegte er sich vorwärts. Und dann sah er ihn. Ein Wolf! Das Tier stand ganz ruhig da und sah ihn an, seine Ohren aufmerksam auf ihn gerichtet. Thomas riss sein Gewehr hoch. Der Wolf rührte sich nicht. Er stand nur da und sah ihn an, verfolgte jede Bewegung. Thomas zielte, als er seitlich etwas wahrnahm. Als er den Kopf in die Richtung der Bewegung drehte, sah er einen zweiten Wolf. Ruckartig richtete er das Gewehr auf diesen Wolf. Dann sah er plötzlich einen dritten und vierten, einen fünften und sechsten Wolf. Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn. Blitzartig rechnete er sich aus, wie viele Wölfe er töten könnte, bevor sie ihn erwischten. Langsam ließ er das Gewehr sinken. Er hatte keine Chance. Sie waren zu nah. Er beschloss, einen Rückzug zu versuchen. Vorsichtig tastete er sich Schritt für Schritt zurück. Die Wölfe bewegten sich nicht. Als er so einige Meter zwischen sich und sie gebracht hatte, drehte er sich um und rannte los. Er rutschte, stolperte durch den finsteren, verschneiten Wald. Sein Atem ging stoßweise. Gehetzt sah er sich um. Verfolgten sie ihn? Wo waren die anderen Jäger? Warum half ihm denn niemand? Er wollte nicht sterben, in diesem Wald, zerfleischt von einer Horde blutgieriger Wölfe. Nein, nicht jetzt, nicht heute, nicht so! Da – eine Bewegung vor ihm. Abrupt blieb er stehen. Da stand der Wolf. Sein Wolf! Thomas war unfähig, sich zu bewegen. Todesangst lähmte ihn. Das einzige Geräusch war sein schneller Atem. Das Gewehr rutschte aus seiner Hand und fiel zu Boden. Es war aus.
    Sie starrten sich an, Jäger und Gejagter. Ihre Augen trafen sich, und einen Moment lang waren sie eins. Der Wolf drehte sich um und verschwand lautlos im Dunkel – und Thomas Reed verstand.
(Daniela Zwicknagl; Wolf Magazin 1/97)
     
    Buchtipp
    Spannende, lustige und interessante Wolfsgeschichten finden Sie auch in der Wolfsanthologie:
    „Wölfen auf der Spur“, Elli H. Radinger (Hrsg.)
Mariposa-Verlag, 2010
www.elli-radinger.de/html/anthologie.html
     
     

Ein ganz besonderer Wald
    Die Schlagzeile war kaum zu übersehen: Wolf jagte Spaziergänger: „Er kam genau auf mich zu!“ In großen, fetten Lettern prangte sie von Tausenden von Kiosk-Wänden, Zeitungsregalen und Drehständern im ganzen Land. Selbst unter den Titelblättern der übrigen Boulevardzeitungen stach sie noch hervor, denn die durchdringenden Augen des Wolfes, dessen Bild man daneben platziert hatte, schienen einen grimmig anzustarren.
    Sie verkaufte sich gut; für einen Tag, an dem es nicht viel zu berichten gab, sogar außergewöhnlich gut. Das einfache Rezept war wieder einmal aufgegangen.
    Bald schon kannten unzählige Menschen die Geschichte von Paul H., 58, der auf seinem gestrigen Spaziergang durch den Wald etwas gesehen hatte, das ihn in Angst und Schrecken versetzte. Ein großer, schwarzer Wolf sei es gewesen, der da hinter einer Biegung aufgetaucht sei. Er habe ihn angestarrt und sei dann in ein Gebüsch am Wegrand gesprungen, sicherlich, um sich durch das Unterholz anzuschleichen. Als er sich von seinem Schrecken erholt habe, sei er deswegen auch sofort weggelaufen und ihm gerade noch einmal entkommen.
    Ja, man habe einen Mann schreiend aus dem Wald rennen sehen, bestätigt ein anderer Spaziergänger, und ein älteres Ehepaar meint noch, etwas im Unterholz rascheln gehört zu haben.
    Der örtliche Förster hält es durchaus für möglich, dass es ein Wolf gewesen sein

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