Mit der Reife wird man immer juenger
Wintertag,
Still und fast ohne Licht,
Ein mürrischer Alter, der nicht mag,
Daß man noch mit ihm spricht.
Er hört den Fluß, den jungen, ziehn
Voll Drang und Leidenschaft;
Vorlaut und unnütz dünkt sie ihn,
Die ungeduldige Kraft.
Er kneift die Augen spöttisch ein
Und spart noch mehr am Licht,
Ganz sachte fängt er an zu schnei’n,
Zieht Schleier vors Gesicht.
Ihn stört in seinem Greisentraum
Der Möwen grell Geschrei,
Im kahlen Ebereschenbaum
Der Amseln Zänkerei.
All das Getue lächert ihn
Mit seiner Wichtigkeit;
Er schneielet so vor sich hin
Bis in die Dunkelheit.
E s darf uns nicht daran liegen, das Vergangene zu halten oder zu kopieren, sondern wandlungsfähig das Neue zu erleben und mit unseren Kräften dabeizusein. Insofern ist Trauer im Sinn des Hängenbleibens am Verluste nicht gut und nicht im Sinne des wahren Lebens.
(Aus einem Brief vom 28. 7. 1916 an seine Schwester Adele)
Kleiner Knabe
H at man mich gestraft,
Halt ich meinen Mund,
Weine mich in Schlaf,
Wache auf gesund.
Hat man mich gestraft,
Heißt man mich den Kleinen,
Will ich nicht mehr weinen,
Lache mich in Schlaf.
Große Leute sterben,
Onkel, Großpapa,
Aber ich, ich bleibe
Immer, immer da.
M ein Leben, so etwa nahm ich mir vor, sollte ein Transzendieren sein, ein Fortschreiten von Stufe zu Stufe, es sollte ein Raum um den andern durchschritten und zurückgelassen werden, so wie eine Musik Thema um Thema, Tempo um Tempo erledigt, abspielt, vollendet und hinter sich läßt, nie müde, nie schlafend, stets wach, stets vollkommen gegenwärtig. Im Zusammenhang mit den Erlebnissen des Erwachens hatte ich gemerkt, daß es solche Stufen und Räume gibt und daß jeweils die letzte Zeit eines Lebensabschnittes eine Tönung von Welke und Sterbenwollen in sich trägt, welche dann zum Hinüberwechseln in einen neuen Raum, zum Erwachen, zu neuem Anfang führt.
(Aus »Das Glasperlenspiel«, 1943)
Stufen
W ie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
G egen die Infamitäten des Lebens sind die besten Waffen: Tapferkeit, Eigensinn und Geduld. Die Tapferkeit stärkt, der Eigensinn macht Spaß und die Geduld gibt Ruhe. Leider findet man sie gewöhnlich erst spät im Leben und im Verwittern und Absterben hat man sie auch am meisten nötig.
(Aus einem Brief vom 23. 7. 1950 an H. S.)
D ieSehnsucht nach verlorener Heimat ist ganz ähnlich der Trauer um die Kindheit und den Kinderglauben. Wir müssen diese Sehnsucht nicht hegen und pflegen und an ihr krank werden, sondern diese Seelenkraft der Gegenwart und Wirklichkeit zuwenden. Ein sehr großer Teil der Menschheit ist heute heimatlos und muß durch Hingabe an die neuen Orte, Menschen und Aufgaben sich die Fremde zur Heimat zu machen versuchen.
(Aus einem Brief vom Februar 1960 an einen jungen Menschen)
E s gilt inmitten einer übergewaltigen Maschinerie die Natur zurückzuerobern, nach einem erschöpfenden Tagwerk die Einkehr zu ermöglichen, es gilt den Mittelpunkt der Zentrifuge zu erreichen. Hilfreiche Mächte dabei sind die Natur, die Musik, vor allem aber die eigene Schöpferkraft.
(Aus einem Brief vom Dezember 1958 an einen Leser)
N eben den Gaben des Geistes und der Kunst sind die der Natur die einzigen, die uns nicht im Stich lassen, wenn es wirklich ernst wird.
(Aus einem Brief ca. 40er Jahre an Erna Klärner)
Sprache des Frühlings
J edes Kind weiß, was der Frühling spricht:
Lebe, wachse, blühe, hoffe, liebe,
Freue dich und treibe neue Triebe,
Gib dich hin und fürcht das Leben nicht!
Jeder Greis weiß, was der Frühling spricht:
Alter Mann, laß dich begraben,
Räume deinen Platz den muntern
Weitere Kostenlose Bücher