152 - Die Tochter des Magiers
»Hab keine Angst, Lomina«, sagte ich zu Shroggs Tochter. »Man wird uns nicht töten.« Das klang großspurig, ich gebe es zu, denn unsere Köpfe und Hände waren zwischen ein schweres Holzstück geklemmt, und mit unseren Beinen hingen wir an einem in den Boden geschlagenen Pflock.
»Wie willst du sie daran hindern?« fragte die hübsche Tochter des weisen Magiers, dessentwegen wir die Silberwelt aufgesucht hatten.
Shrogg hätte Mr. Silver helfen sollen, wiederzuerstarken, aber der Weise war nicht mehr ansprechbar, seit sich seine Tochter in Ronsidors Gewalt befand. Und nun war ich gezwungen, ihr Gesellschaft zu leisten. In der Nacht des Silbermondes sollten wir Ronsidor geopfert werden. Er war Herrscher, Kriegsherr und Gott der Barbarenhorde. Unser Leben und unsere Kraft sollten auf ihn übergehen. Ich hatte gehofft, es wäre noch eine Weile hin bis zu dieser besonderen Nacht, doch diese Illusion hatte mir Lomina inzwischen geraubt.
Die Nacht des Silbermondes würde beginnen, sobald dieser Tag zu Ende war.
»Ich kann sie nicht daran hindern«, antwortete ich, »aber ich habe Freunde, die mich nicht im Stich lassen. Sie werden alles versuchen, um uns hier rauszuholen.«
Ich sprach leise, denn die Wände des schäbigen Zelts waren dünn, und ich wollte nicht, daß jemand hörte, was ich sagte. Es waren keine tröstenden Worte, die ich nur so daherredete. Ich glaubte selbst fest an sie.
Ich mußte daran glauben, denn eine andere Hoffnung gab es nicht für uns. Wenn wir hier rauskamen, dann nur mit Hilfe meiner Freunde.
Ich nahm an, daß sie warteten, bis es dunkel wurde, damit sie sich der kleinen Zeltstadt am Fuße des Vulkans unbemerkt nähern konnten.
Mr. Silver, sein Sohn Metal und Roxane würden kommen, und höchstwahrscheinlich würden sie den Nessel-Vampir Boram vorschicken, denn er war in der Lage, sich unsichtbar zu machen.
Ich gönnte Ronsidor dem Schrecklichen eine schmachvolle Niederlage von ganzem Herzen. Thermae war ein Hort des Friedens, und genau das war Ronsidor ein Dorn im Auge.
Hinzu kam, daß er sich unbedingt Sabras Zauberkraft einverleiben wollte, denn dann wäre er doppelt so stark gewesen - unbesiegbar auf der Silberwelt. Ein blutrünstiger Schreckensherrscher wäre aus ihm geworden, der sich nicht gescheut hätte, der Hölle den Kampf anzusagen. Er wollte nicht, daß die schwarze Macht Einfluß auf seine Silberwelt hatte. Diese Welt sollte ihm allein gehören, deshalb würde er sie von allen höllischen Einflüssen säubern und hier seine eigene Hölle aufbauen.
Er war ähnlich größenwahnsinnig wie mein Erzfeind Professor Mortimer Kull. Ich hoffte, daß sie sich beide so bald wie möglich den Hals brachen.
Die Dämmerung setzte ein - viel zu schnell für meinen Geschmack. Mir hätte es mit dem Abend nicht geeilt. Lomina seufzte schwer.
»Bald wird der Silbermond aufgehen«, sagte sie niedergeschlagen.
Ich erfuhr, daß es nicht sehr oft dazu kam. Auf das irdische Zeitmaß umgelegt, etwa jedes halbe Jahr. Dämonen vom Rang Ronsidors waren in diesen Nächten besonders aufnahmefähig. Wenn der Silbermond leuchtete, konnten sie unheimlich Kraft tanken.
»Meine Freunde befinden sich bereits auf dem Weg«, sagte ich, damit sich Lomina beruhigte.
Ich erzählte der Tochter des alten Magiers von Mr. Silver und Shavenaar, dem Höllenschwert.
»Diese Waffe wurde auf dem Amboß des Grauens für Loxagon, den Teufelssohn, geschmiedet«, sagte ich. »Jetzt gehört sie meinem Freund, und er weiß sie hervorragend einzusetzen.«
»Ich dachte, er ist schwach. Ihr seid doch seinetwegen auf die Silberwelt gekommen«, sagte Lomina.
»Das ist richtig. Mr. Silver möchte seine magischen Kräfte wiederhaben, aber er ist nicht schwächer als ich, und mit dem Höllenschwert ist er nach wie vor gefährlich, das werden dir Ronsi, dors Krieger bestätigen. Jedenfalls jene, die das Schwert überlebt haben.« Ich sprach über Roxane. »Sie ist eine weiße Hexe, die wie eine Löwin zu kämpfen versteht. Und Metal ist so stark, wie es Mr. Silver einst war.«
»Besitzt er seine Silbermagie noch?«
»In vollem Maße. Und Boram ist ein Kapitel für sich. Er hat keinen Körper, besteht nur aus Nesseldampf, den er jedoch so sehr verdichten kann, daß man seinen Faustschlag spürt. Jeder Kontakt mit ihm ist außerdem sehr schmerzhaft und entzieht einem Energie.«
»Wovon lebt er?«
»Von schwarzem Blut.«
»Davon besitzt Ronsidor genug«, sagte Lomina.
»Möge es Boram gelingen, es sich zu holen, bis auf
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