Mit einem Bein im Knast: Mein Versuch, ein Jahr lang gesetzestreu zu leben (German Edition)
Gameboy war ich bereits 20 (selbst gekauft, den Eltern aber stolz präsentiert). Freilich habe ich zuvor mit Computerspielen gezockt, meist waren es illegale Kopien von Spielen; auf dem Schulhof wurden die Disketten getauscht wie zehn Jahre zuvor Panini-Bilder von Fußballspielern. Ich war sogar einer der Ersten in meinem Freundeskreis, die sich eine eigene Homepage gebastelt haben.
Wissen gegen den Knast
Jeder private Homepage-Betrei-
ber sollte ein Impressum auf sei-
ner Internetseite einstellen – sonst
droht eine teils sehr teure Abmah-
nung. (§ 6 TDG)
Meine naive Frage lautet: Warum fällt es dann so schwer, Menschen zu bestrafen, die Musik, Filme und Serien illegal verbreiten und ansehen? Wie kann ein Freund von mir auf seinem Rechner mehr als 100 Filme, etwa 8000 Musikstücke und 500 Folgen von Fernsehserien gespeichert haben, ohne dass es jemand herausfindet? Wie kann er Bundesligaspiele und Boxkämpfe ansehen, ohne dass es jemand bemerkt?
Oder wird bereits heftig gespeichert, und irgendwann einmal werden Briefe – ja wirklich, Briefe und keine E-Mails – verschickt mit horrenden Strafen? Dann würde sich der Satz bewahrheiten, den Sean Parker im fiktiven Facebook-Film The Social Network zu Mark Zuckerberg sagt: »Den Fehler, der dich in Zukunft zu Fall bringt, hast du bereits begangen.«
Fakt ist: Es werden immer mehr Briefe verschickt, die geforderten Summen werden immer horrender.
Die Unsicherheit der Menschen beim Umgang mit dem Internet ist größer denn je; die meisten Menschen wünschen sich mehr Sicherheit im Netz, doch es scheint, als hätte die Politik nicht die Kraft, diese Sicherheit zu gewährleisten. Was darf ich denn nun im Netz tun und was nicht? Diese einfache Frage wurde kürzlich in einer Umfrage gestellt. Das erstaunliche Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass es zu viele Graubereiche gebe und dass niemand sagen könne, was denn nun wirklich erlaubt sei. Fast ein Fünftel der Menschen sagte gar, dass es das Internet für einen rechtsfreien Raum hielte. Nur vier Prozent der Menschen behaupteten zu wissen, was im Internet erlaubt sei und was nicht.
Die Unterhaltungsindustrie freilich macht sich diese Unsicherheit zunutze und stigmatisiert jeden Downloader und Internethörer sogleich zum Verbrecher – oftmals spannt sie dafür Künstler vor den Angst-Karren, die dann Sätze schreiben wie: »Schuhe gibt’s auch nicht gratis!« Das war die Überschrift eines Beitrags des Filmemachers Michael Verhoeven im Focus . Der Text selbst beginnt so: »Ein Kunde geht in ein Musikgeschäft und entdeckt eine tolle CD . Am Ausgang wird er festgehalten. Er hat nämlich etwas vergessen: Er hat nicht bezahlt. Das Netz ist wie ein Supermarkt. Hier entdeckt der Kunde ebenfalls tolle Musik und lädt sie herunter. Und auch er hat etwas vergessen. Er hat nicht bezahlt – doch niemand hält ihn auf.«
Verhoevens Argumentation klingt erst einmal schlüssig: Wer Musik hören möchte, der soll dafür bezahlen – wenn der Künstler eine Bezahlung dafür möchte und das Stück nicht freiwillig unentgeltlich ins Netz stellt. Ich möchte als Autor auch, dass die Leser für meine Bücher bezahlen, davon lebe ich. Viele meiner Texte stelle ich kostenlos ins Netz und freue mich, wenn sie jemand liest. Wenn ich Bezahlung fordere, dann will ich auch, dass bezahlt wird.
Doch anders als in Verhoevens Schilderung gibt es zahlreiche Menschen, die bereitwillig bezahlen. Ich habe jedes Musikstück, jeden Film und jede Serie auf meinem Rechner gekauft, so wie ich auch für jedes Paar Schuhe – um in Verhoevens Vergleich zu bleiben – bezahlt habe. Damit ist auch Verhoevens Argument entkräftet, dass im Fall von Musik und Spielfilmen die Kassen nicht besetzt wären. Die Kassen sind besetzt und sehr gut gefüllt.
Das Problem ist doch vielmehr, dass es oftmals keine Kassen gibt, man wird ja noch nicht einmal in den Supermarkt gelassen. Man steht draußen vor dem Schaufenster und sieht Menschen aus anderen Ländern beim Einkaufen zu – und vielen Menschen aus diesem Land beim Klauen. In meinem konkreten Fall bedeutet das: Es gibt keinen Weg, die Folgen von How I Met Your Mother und Californication zu kaufen. Ich gucke durch das Schaufenster und sehe den anderen dabei zu, wie sie sich vor Lachen beinahe in die Hose machen. Dann trotte ich gelangweilt weiter und warte darauf, dass ein Supermarkt in meinem abgesperrten Bereich öffnet und die DVD in sein Sortiment aufnimmt – oder ich warte ein halbes
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