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Mit falschem Stolz

Mit falschem Stolz

Titel: Mit falschem Stolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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samtigen Wange gegenüber höchst geneigt ist.«
    Fredegars Augen gingen zwischen Marian und Pitter hin und her, dann nickte er.
    »Beweis dein Können, Marian. Ich will den Zauber samtiger Wangen probieren.«
    Pitter hatte bereits das Becken mit heißer Lauge bereitgestellt, und Marian weichte das Gesicht des Ritters mit feuchten Tüchern ein. Während die Bartstoppeln ge schmeidig wurden, kämmte er die Locken und stutzte sie um einige Fingerbreit. Während dieser Tätigkeit berichtete er auch über die letzten Entwicklungen in seiner Familie.
    »So so, da hat der Herr Ivo dem Gemahl deiner Schwester endlich das gebührende Donnerwetter angedeihen lassen. Ich habe mich schon immer gefragt, warum er dieser Ehe zugestimmt hat.«
    »Alyss wollte den Arndt van Doorne zum Mann. Und er kann ihr wenig abschlagen. Meine Mutter war gegen diese Verbindung.«
    »Frau Almut ist ein Weib von großer Weisheit. Ich habe vor, sie, sowie ich über samtige Wangen verfüge, aufzusuchen.«
    »Jetzt nehmt Ihr mich aber in die Pflicht, Herr Fredegar!«
    »Weiß sie denn, dass du hier den Gehilfen spielst?«
    »Wie Ihr sagtet, sie ist eine weise Frau. Aber bindet es ihr nicht direkt auf die Nase.«
    »Aha.«
    Dann schwiegen beide, während Marian mit ruhiger, sicherer Hand die Bartstoppeln abschabte. Es floss kein einziges Tröpfchen Blut dabei, und anschließend fuhr der Ritter sich anerkennend über die frisch rasierte Haut.
    »Immerhin hast du dieses Handwerk gemeistert.«
    Schwungvoll entfernte Marian das Leinentuch, und der Ritter stand auf.
    »Ich begleite Euch zum Haus meiner Eltern, Herr Fredegar. Für heute habe ich genug für diesen Leuteschinder hier gearbeitet.«
    Frau Almut, in einem braunen Gewand aus weichem Wolltuch, doch ohne Kopfbedeckung, begrüßte sie lebhaft. Es hatte zwar die Zeit einige Fältchen in ihre Züge gegraben, doch überwiegend solche, die von heiterem, vielleicht auch nachdenklichem Gemüt zeugten. Sie empfing Ritter Fredegar mit einer herzlichen Umarmung, doch Marian bemerkte, dass ein Schatten über ihrer frohen Laune lag. Er hoffte, dass nicht er die Ursache für diese Düsternis war.
    »Habt Ihr Nachrichten von meinem Vater erhalten?«, fragte er vorsichtig.
    »Er ließ mir durch den Boten ausrichten, die Trauben schmeckten wie der reinste Sauerampfer, die Rebstöcke faulten an den Wurzeln, die Läuse nagten die Blätter bis zum Stumpf ab, und der Most dünstete den fauligen Odem der Hölle aus.«
    Das war es also nicht.
    »Er wird die Trauben mit seinem scharfen Blick dazu bringen, mehr Süße zu produzieren, die Rebstöcke mit einigen harschen Worten innerlich aufrichten, über die Blattläuse das Gericht des Herrn niedergehen lassen und den Most in seine Schranken weisen.«
    »Das nehme ich auch an. Er ist zufrieden.«
    »Ihr seid es nicht?«
    Ein hurtiger Blick streifte Marian.
    »Nein, ich bin in Sorge. Kommt mit in den Saal, Fredegar, Marian. Frau Clara hat mich aufgesucht.«
    Die Meisterin der Beginen, schlank, fast zerbrechlich in ihrer grauen Tracht, sah verhärmt aus. Das jedoch gehörte zu ihrem üblichen Arsenal von Hilfsmitteln, mit denen sie ihre Ziele zu erreichen pflegte, und hatte zunächst nichts zu bedeuten. Doch diesmal malte eine echte Sorge graue Farbe in ihr Antlitz.
    »Marian, hast du Catrin heute schon getroffen?«, empfing sie ihn, als er in die Stube trat.
    »Nein, Frau Clara.«
    Die Begine rieb sich mit den Händen über das Gesicht.
    »Sie war zu einer Entbindung gerufen worden«, erklärte Almut ihm, mit einem feinen Unterton, den er verstand. Sie vermutete, dass er ihr möglicherweise zur Seite gestanden hatte, auch wenn das einem Mann strengstens verboten war. Aber er hatte von Catrin – in Weibergewändern verkleidet – die Hebammenkunst gelernt.
    Er sah seiner Mutter in die Augen und schüttelte unmerklich den Kopf. Sie erwiderte die Geste mit einem leichten Senken der Lider und erklärte: »Der Wollenweber Meister Albrecht hat eine Tochter bekommen. Catrin hat sein Haus vor der Morgendämmerung verlassen. Den Konvent hat sie nicht erreicht.«
    »Bei Alyss habt Ihr sicher schon nachgefragt, Frau Clara.«
    »Natürlich, und auch bei Frau Mechtild und bei Peter Bertolf. Ich bin ratlos, Marian.«
    »Könnte ein Hilfesuchender sie auf dem Weg angesprochen haben?«
    »Könnte, aber dann hätte sie Nachricht geschickt. Ich habe große Angst, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte.«
    Marian teilte diese Befürchtung.
    »Ich werde mich auf die Suche machen, Frau

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