Mit falschem Stolz
als Schwachsinnige eben in die Tollkammer gebracht.«
»Idioten! Alle wissen, dass Mats wegen seines Wolfsrachens nicht sprechen kann, aber schwachsinnig ist er nun wirklich nicht. Und Catrin stottert zwar, wenn sie aufgeregt ist, aber …«
»Sie hat Arndt erkannt. Sie war übermüdet und mehr als aufgeregt, nehme ich an.«
»Hast du dem hirnlosen Turmvogt nicht gesagt, dass sie eine Begine ist?«
»Nein, Alyss, ich habe nur den Leichnam als Arndt ausgewiesen. Man hat mich in die Tollkammer geführt, aber ich dachte mir, dass ich die Namen der beiden besser noch nicht preisgebe, bevor wir wissen, auf welche Weise wir sie dort herausbekommen.«
»Ob Mats ihn umgebracht hat?«
»Nein, gewiss nicht. Auch wenn der Anschein dafür spricht.«
»Warst du schon bei Gislindis?«
»Mein nächster Weg. Doch zuvor wollte ich mich mit dir beraten.«
»Gut.«
»Trifft es dich?«
»Dass Arndt tot ist? Vielleicht – kein Mensch soll eines gewaltsamen Todes sterben. Aber Trauer – nein. Ich werde für seine Seele beten. Wichtiger ist es aber, den Lebenden zu helfen und den Mörder zu finden. Geh du zu Gislindis, ich werde unsere Mutter aufsuchen und sie um Hilfe für Catrin bitten und mich dann mit Magister Jakob beraten.«
»Eine gute Idee. Ritter Fredegar ist bei ihr, auch er wird uns helfen.«
»Dann lass uns aufbrechen. Das Hauswesen muss für eine Weile ohne mich auskommen.«
Frau Clara hatte das Patrizierhaus am Alter Markt bereits verlassen, und Alyss wurde von ihrer Mutter mit bedrückter Miene empfangen. Diese wandelte sich von Sorge zu kaltem Zorn, als sie die Neuigkeiten hörte.
»In der Tollkammer!«, knurrte sie. »Da haben sie mich auch mal gefangen gehalten. Damals hat Clara mich dort herausgeholt.«
»Mama?«
»Eine ganz und gar unschöne Geschichte. Ich werde zum Turm gehen und die Wachen das Fürchten lehren.«
»Nein, bitte nicht. Magister Jakob wird sich darum kümmern. Ich bin schon auf dem Weg zu ihm. Sucht Ihr den Konvent auf und berichtet den Beginen.«
»Natürlich. Oh, ich könnte …«
Trotz der entsetzlichen Situation fand Alyss ihren Witz wieder und empfahl ihrer Mutter: »Maria, der Schild der Streitenden, wird Euch beschützen.«
»Sie wird nicht nur Schild, sondern auch Schwert bereithalten müssen.«
»Wo ist Herr Fredegar?«
»Hat Clara zurückbegleitet und wird jetzt im Kloster von Groß Sankt Martin mit dem Abt saufen«, schnaubte Frau Almut und stürmte die Stiege hinunter. Alyss folgte ihr, doch vor der Tür trennten sich ihre Wege.
Magister Jakob bewohnte ein Haus gleich hinter dem Alter Markt, und schon wenige Augenblicke später klopfte Alyss an seine Tür. Ein stämmiges Weib öffnete ihr und raunzte sie an: »Der Magister hat die Kränk, der ist für niemanden zu sprechen.«
»Das mag schon sein, aber ich habe mit ihm zu sprechen. Richtet ihm aus, dass Frau Alyss hier ist.«
Das Weib schlug die Tür zu, es polterte drinnen, und nach einer Weile kam sie wieder.
»Der Herr Magister bedauert außerordentlich«, sagte sie gespreizt. »Er kann Euch wirklich nicht empfangen. Doch sollte Euer Herr Bruder vorsprechen, wird er gerne bereit sein, sich mit ihm zu verständigen.«
Das hörte sich so ungewöhnlich aus dem Mund der derben Frau an, dass Alyss zwinkern musste. Offensichtlich aber wollte der Notarius ihr auf diese Weise etwas mitteilen. Vermutlich hatte es mit der »Kränk« zu tun, die ihn befallen hatte und deren er sich schämte. Marian als Heiler gegenüber würde er keine derartigen Bedenken tragen. Alyss nickte also und gab der Haushälterin auf: »Ich werde meinen Bruder so bald wie möglich vorbeischicken. Richtet Magister Jakob meine besten Wünsche aus.«
»Mach ich.«
Rums – war die Tür wieder zu.
Alyss überlegte, was sie als Nächstes unternehmen konnte. Marian mochte noch bei Gislindis weilen oder wieder zum Turm gegangen sein. Ihm hinterherzulaufen war wenig sinnvoll. Besser war es, sich einen anderen Beistand zu suchen, um den beiden Gefangenen zu helfen. Priesterwort hatte ein hohes Gewicht in solchen Fällen, und Pater Henricus schätzte Catrin sehr.
Alyss eilte zu den Franziskanern. Und hier hatte sie Glück, denn Pater Henricus hatte gerade seine Studien abgebrochen und wollte einen Weg durch die Weingärten unternehmen, um sich an den Schönheiten der Natur zu erbauen.
»Aber selbstverständlich, liebes Kind. Ich eile. Man darf diese armen Geschöpfe doch nicht in der Tollkammer anketten.«
Alyss musste sich jedoch den ganzen Weg
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