Mit geschlossenen Augen
Kyklop Polyphem Odysseus, dem Niemand, nachgeworfen hat, nachdem er von diesem geblendet worden ist. Tief stecken sie im Meeresboden, und Gott weiß, wie lange sie schon da stecken, jedenfalls konnte kein Krieg und kein Erdbeben und auch nicht der gewaltigste Lavafluss des Ätnas sie zum Versinken bringen. Imposant ragen sie aus dem Wasser, und dabei kommt mir in den Sinn, wie mittelmäßig und schäbig die Welt dagegen doch ist. Wir reden, essen, gehen umher, tun, was ein Mensch eben so tun muss, aber im Gegensatz zu den faraglioni bleiben wir nicht ewig und unverändert an derselben Stelle. Wir verderben, Tagebuch, wir sterben in Kriegen, werden von Erdbeben verschüttet, von der Lava verschluckt, von der Liebe verraten. Und wir sind auch nicht unsterblich; aber das ist vielleicht ein Glück, oder?
Gestern haben die Steine des Polyphem uns reglos zugeguckt, während er sich unter Zuckungen auf mir wand, ohne sich darum zu kümmern, dass ich fröstelte und dass meine Augen ganz woanders hinschauten, auf das Spiegelbild des Mondes im Wasser. Wir haben alles schweigend durchgezogen, wie immer, jedes Mal das gleiche Programm. Sein Gesicht war hinter meiner Schulter versunken, und ich spürte seine Atemstöße auf dem Hals, aber sie waren nicht heiß, sondern kalt. Seine Spucke bedeckte jeden Quadratzentimeter meiner Haut, als wäre eine träge Schnecke langsam über mich hinweggekrochen und hätte ihre schleimige Spur hinterlassen. Auch seine Haut erinnerte in nichts mehr an die golden schimmernde, schweißglänzende Haut, die ich eines Sommermorgens geküsst habe, und seine Lippen schmeckten nicht mehr nach Erdbeeren, sie schmeckten nach überhaupt nichts mehr. In dem Augenblick, in dem er mir seinen Trunk verabreichte, gab er den üblichen Lustgrunzer von sich, der immer mehr einem Knurren ähnelt. Dann wälzte er sich auf das Badehandtuch neben mir und seufzte, als wäre er eine große Last losgeworden. Ich habe mich zur Seite gedreht und die Kurven seines Rückens betrachtet und bewundert; einen Moment lang war ich versucht, sie zu berühren, aber ich zog die Hand sofort wieder zurück aus Furcht vor seiner Reaktion. Danach habe ich noch lange ihn und die faraglioni betrachtet, ein Auge auf ihn, eins auf sie gerichtet. Irgendwann fiel mir auf, dass der Mond genau dazwischen war, staunend habe ich ihn angeschaut und dabei ein wenig die Augen zusammengekniffen, um ihn schärfer sehen zu können, seine runde Form, seine undefinierbare Farbe.
Als sei mir plötzlich etwas aufgegangen, ein vorher unlösbares Rätsel, setzte ich mich ruckartig auf. »Ich liebe dich nicht«, flüsterte ich wie zu mir selbst.
Daniele drehte sich um, öffnete die Augen und fragte: »Was quatschst du da?«
Ich habe ihn eine Weile mit ruhigem, reglosem Gesicht angesehen und dann noch einmal etwas lauter gesagt: »Ich liebe dich nicht.«
Er runzelte die Stirn, zog die Augenbrauen zusammen und schrie: »Welchen Arsch interessiert das!«
Danach schwiegen wir, und er drehte mir wieder den Rücken zu; etwas weiter weg habe ich eine Autotür schlagen und dann das Gekicher eines Pärchens gehört. Daniele hat sich ärgerlich nach ihnen umgedreht. »Was wollen diese Ärsche hier?«, sagte er. »Warum vögeln sie nicht woanders und lassen mir meine Ruhe?«
»Sie können vögeln, wo sie wollen. Das ist ihr gutes Recht, oder?«, sagte ich und beobachtete dabei das Schimmern meiner durchsichtig lackierten Fingernägel.
»Hör mal, Süße .. .Was die andern dürfen und was nicht, brauchst du mir nicht zu erzählen. Hier bestimme ich, nur ich, auch über dich, so war es, und so wird es bleiben, kapiert?«
Ich habe mich, während er sprach, angeödet weggedreht und auf dem feuchten Badetuch ausgestreckt, worauf er mich an der Schulter packte, zornig schüttelte und mit zusammengebissenen Zähnen unverständliche Laute ausstieß. Ich habe mich nicht gerührt, jeder Muskel meines Körpers war still.
»So lasse ich mich nicht behandeln!«, brüllte er. »Du kannst nicht einfach auf mich scheißen ... wenn ich rede, hörst du zu, und dreh dich ja nicht noch mal weg, verstanden?«
Da bin ich zu ihm herumgefahren und habe ihn an den Handgelenken gepackt, sie fühlten sich schwach an, und plötzlich hatte ich Mitleid mit ihm, es zog mir richtig das Herz zusammen.
»Ich würde dir stundenlang zuhören, Daniele, wenn du nur mit mir reden wolltest, wenn du es mir nur erlauben würdest«, sagte ich leise.
Ich sah und spürte, wie sein Körper sich entspannte, wie
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