Mit Haut und Haar (German Edition)
Hintergründe noch nicht, Patrizia.«
»Denkst du, er hatte was mit ihr?«
»Nein, das denke ich nicht.«
»Sicher?«
Clarissa nickte.
»Weißt du Patrizia, bei uns war alles in Ordnung, wirklich.« Sie wurde rot. »Naja, zumindest nach all unseren ausgestandenen Krisen. Und diese Andrea – du hättest sie erleben müssen so wie ich sie erlebt habe, Patrizia. Sie ist ein ganz merkwürdiger Vogel. Man hat wohl vergessen ihr zu erklären wie man lächelt oder überhaupt, ihr zu erklären, dass man ruhig mal lachen darf. Völlig humorlos. Eine unscheinbare Erscheinung. Nicht hässlich, aber auch nicht besonders hübsch und durch ihre innere Kälte hatte sie eine Ausstrahlung, dass sich niemand freiwillig privat mit ihr abgeben würde. Jedenfalls niemand den ich kenne und schon gar nicht Daniel.«
Sie trank einen Schluck Wasser.
»Ich nehme an dass sie ihn angehimmelt hat und er hat sie nicht beachtet.«
Sie lächelte. »Auch Daniel macht nicht zweimal den gleichen Fehler. Vielleicht hat er sich absichtlich eine so unattraktive, kalt wirkende Kuh in sein Vorzimmer gesetzt. Die Frau von damals war zwar nicht seine Sekretärin, aber sie war die Sekretärin seines Geschäftspartners.«
Sie seufzte.
»Eigentlich würde ich gerne aufstehen und nach ihm sehen, aber ich soll ruhig im Bett liegen bleiben, hat der Arzt gesagt.«
»Ich hoffe, deine Verletzungen sind nicht so schlimm«, sagte Patrizia.
»Nein«, sagte Clarissa. »Nur eine Platzwunde, die genäht wurde. Und natürlich habe ich rasende Kopfschmerzen, aber es wird schon besser, die haben mir was gespritzt. Die behalten mich auch nur zur Sicherheit da, damit sie mich noch eine Weile beobachten können.«
»Soll ich für dich mal nach Daniel sehen?«
»Das würdest du tun?« Patrizia nickte.
»Ich nehme an, er wird schlafen, aber ich kann ja mal nachschauen.«
Sie erhob sich und ging nach draußen. Weiter hinten im Gang sah sie einen Polizeibeamten vor einer Zimmertür sitzen. Wahrscheinlich das Zimmer, in dem die Verrückte lag – ihre Schüsse konnten keine dramatischen Auswirkungen gehabt haben, sie hatte die Frau lediglich außer Gefecht gesetzt. Patrizia machte sich diesbezüglich keine Sorgen. Schießen hatte sie das Schießen gelernt, zwar nicht auf legalem Weg, aber dafür gründlich. Daniel lag, wie sie von einer Schwester erfuhr, ganz am anderen Ende des Ganges in einem Einzelzimmer, wie auch Clarissa in einem Einzelzimmer lag. Sie warf nur einen kurzen Blick hinein, denn eigentlich durfte er keinen Besuch bekommen. Er schlief tief und fest. Irgendwelche Apparate piepten, Patrizia kannte sich in solchen Dingen nicht aus.
»Ich hatte Ihnen doch gesagt, er darf nicht gestört werden!« fauchte die Schwester hinter ihrem Rücken.
»Entschuldigung, ich bin eine Freundin seiner Frau und die macht sich natürlich Sorgen um ihn. Ich habe versprochen nach ihm zu sehen.«
Die Schwester wurde gleich wieder friedlicher. »Er ist stabil«, sagte sie. »Das können Sie seiner Frau ausrichten. Er schläft jetzt natürlich, aber auch deswegen, weil er starke Medikamente bekommen hat. Was er jetzt braucht ist viel Flüssigkeit, die bekommt er derzeit durch Infusionen und ansonsten viel Ruhe. In einer Woche ist er wieder voll da.«
»Danke.«
Patrizia drehte sich um und lief den Gang hinunter zu Clarissas Zimmer.
»Frau Ostermann braucht auch viel Ruhe«, rief die Schwester ihr streng hinterher. »Bleiben Sie bitte nicht mehr so lange.«
Patrizia nickte und schloss die Tür hinter sich.
»Es geht ihm gut«, erklärte sie. »Die Schwester sagt, er ist in einer Woche wieder voll da.«
»Ich möchte gar nicht wissen, was er durchgemacht hat«, sagte sie nachdenklich und starrte aus dem Fenster. »Fünf Tage hatte sie ihn in ihrer Gewalt.«
-42-
Zwei Tage später wurde Clarissa entlassen. Patrizia hatte sich ein Hotelzimmer genommen, denn in dieser Situation wollte sie ihrer Freundin natürlich beistehen. Sie konnte nicht einfach nach Frankfurt zurückfahren und zur Tagesordnung übergehen.
Daniel war inzwischen längere Phasen wach und wieder fähig zu sprechen, die Polizei hatte ihn sogar schon vernommen. Er schämte sich trotzdem in Grund und Boden als Clarissa zum ersten Mal und zwei Tage nach seiner Befreiung an seinem Bett saß.
»Ich konnte mich nicht wehren«, flüsterte er und fast weinte er, so gut kannte sie ihn. Sicher, er presste wie immer die Kiefer zusammen, aber genau das war ein Zeichen dafür dass er mit den Tränen
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