Mit Herz und High Heels - Clark, B: Mit Herz und High Heels - The Overnight Socialite
Dotties großzügigem Gästezimmer, das nun als Garderobe herhalten musste. Die Mädels waren so weit, jetzt legten die Spitzenfriseure und Top-Visagisten, die Eloise für diesen Einsatz rekrutiert hatte, noch schnell letzte Hand an. Aus ihrem gegenwärtigen Blickwinkel konnte Lucy nichts weiter sehen als Schuhe – sexy Schlangenleder-Stilettos, rote Samt-PlateauSchuhe, Ballerinas mit Bändern zum Schnüren – die hierhin und dorthin liefen, dass es aussah wie zur Rushhour im Modehimmel. Sie duckte sich unter das Schlachtengetümmel, außer Sichtweite, unter dem Vorwand, ein Vintage-Clutch-Täschchen zu suchen, das eins der Models verlegt hatte. Aber eigentlich wollte sie nur mal schnell durchatmen.
»Ist da unten noch Platz für mich?«, ertönte eine Stimme, zu der ein Paar Brian-Atwood-High-Heels gehörten, für die man eigentlich einen Waffenschein bräuchte. Eloise bückte
sich und erschien in Lucys Blickfeld. »Du hast dich versteckt. Der aufregendste Tag deiner gesamten Karriere – unserer gesamten Karriere – und du versteckst dich hinter einem Kleiderständer!«
»Ich wollte bloß mal … du weißt schon, durchatmen. Oder es zumindest versuchen.«
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Luce. Die Kulisse ist der Wahnsinn, und die Bude wird gerammelt voll. Machst du Witze? Nach der Versteigerung beim Ball muss man einfach hier sein. Deine Kleider sind umwerfend . Also komm, steh auf.«
Mühsam holte Lucy Luft und richtete sich auf. In der vergangenen Woche hatte sie so viel zu tun gehabt, dass sie sich nicht erlauben konnte, nervös zu werden. Aber jetzt, so kurz vor Beginn der Präsentation, holte das Lampenfieber sie ein. Womöglich wären ihre Gäste zunächst sehr wohlwollend – zumindest eine Weile. Aber was, wenn die Fashionistas und Gesellschaftsreporter und Margaux Irving merkten, dass sie ihre Inspirationen nicht nur aus Mailand und Paris bezog? Und die Damen, die an der Upper East Side lunchten, vielleicht würden sie der Wahrheit dann auf die Schliche kommen? Und am Ende der Show musste sie sich vor alle hinstellen und… es lief ihr eiskalt den Rücken runter. Einen schrecklichen Augenblick lang, als sie so neben Eloise stand und nachdachte, wünschte sie sich, statt in den Greyhound-Bus von Dayville nach New York zu steigen, sie hätte sich vor dessen Räder geworfen.
»Meinst du, wir sollten anfangen?«
Lucy nickte und strich sich eine dunkle Locke hinters Ohr. »Auf geht’s«, rief sie, schaute zu ihrer Mutter, die auf der anderen Seite des Raums stand, und streckte ihr den gereckten Daumen entgegen.
»Mädels, auf die Plätze!«, bellte Rita, die das wortlose Kommando sofort verstand. Wenn es darum ging, eine schnatternde Gänseschar Models im Zaum zu halten, war ihre schnodderige Art sehr von Vorteil, und die Fingernägel der Mädels hatte sie auch toll hinbekommen; sie hatte ihnen rote Krallen verpasst wie Vierzigerjahre-Starlets.
Als sie in die Bibliothek strömten, die, was Größe und Pracht anging, einer altehrwürdigen New Yorker Universitätsbibliothek kaum nachstand, ließ Lucy den Blick schweifen und sog das bunte Gewirr wirbelnder Farben und brummender Energie gierig in sich auf. Drüben entdeckte sie Fernanda, die in einem narzissengelben Kleidchen mit keck ausgestelltem Rock und schmalen Gürtel zum Anbeißen aussah und in der Achterbahnkulisse Platz nahm, die Max eigens entworfen und gebaut hatte; das Haar zu einer Frisur aufgerüscht, die aussah, als hätte der Wind ihre prachtvollen Locken erfasst und spielte neckisch damit. Dottie, in einem königlichen, zart melonenfarbenen Wickelkleid aus Seide, dessen Kragen von einer steifen und doch femininen Rüsche umspielt wurde, nahm ebenfalls ihren Platz ein – als Kundin in einem Supermarktgang, wo sie mit dem Ernst eines griechischen Philosophen die Rückseite einer geöffneten Tüte Käse-Nachos inspizierte. Passend zu ihrem Kleid waren ihre Fingernägel in knalligem Orange lackiert.
Mimi, inzwischen Gott sei Dank wieder ohne Pusteln, trug ein dunkelgolden schimmerndes Kleid aus Leinen und Seide mit handgearbeiteter Perlenstickerei am Ausschnitt. Da sie in ihrem kleinen Szenenbild Schnee schaufeln sollte – eine Hommage an den strengen Winter in Minnesota -, hatte Lucy ihr eine bezaubernde kleine Steppweste in Flachs und Gold zum Drüberziehen genäht. Anna, die in einer purpurroten Robe wirklich einen heißen Anblick bot, lehnte lässig
gegen einen Tisch mit rot-weiß karierter Tischdecke im Pizzaladen von
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