Mit Herz und Skalpell
dass jemand, der versucht, mit solchen Mitteln eine Beförderung zu bekommen, und damit über seine eigenen fachlichen und wissenschaftlichen Schwächen hinwegtäuscht, der Richtige für diese Stelle ist.«
Vereinzelt applaudierten einige.
»Ich weiß nicht, ob ich die Richtige unter diesen Voraussetzungen bin, aber Frau Willer bedeutet mir zu viel, als dass ich sie für meine Karriere opfern möchte.« Alexandra lächelte in Lindas Richtung.
Die Röte schoss Linda ins Gesicht. Dass alle Blicke sich nun auf sie richteten, machte es nicht besser.
»Du bist die Richtige«, rief Lennard. »Du bist einfach die beste Chirurgin hier.«
Professor Rosenbusch räusperte sich. Es war das erste Mal an diesem Morgen, dass er ein wenig grinste.
»Also, selbstverständlich nach Ihnen.« Lennard räusperte sich verlegen.
Jetzt meldete sich auch Rainer zu Wort: »Ich denke auch, dass Frau Kirchhoff am besten geeignet ist für diesen Posten.«
Jochen sprang auf und ging nach vorn, auf Alexandra zu. »Das kann nicht euer Ernst sein«, rief er beschwörend. »Wollt ihr wirklich so eine als Vertreterin des Chefs?« Er streckte die Hände nach Alexandra aus, aber Alexandra war schneller und wehrte ihn ab.
»Finger weg!« Drohend funkelte sie ihn an.
»Herr Gärtner«, sagte Professor Rosenbusch schneidend. »Ich darf doch sehr bitten. Und jetzt nehmen Sie beide Platz.«
»Aber er hat doch recht«, rief Melanie.
»Melanie, find dich damit ab, dass du in der Unfallchirurgie vergammelst«, sagte einer der Assistenten. Linda konnte nicht ausmachen, wer es war.
Jetzt mischten sich auch andere ein: »Eben. Aus gekränkter Eitelkeit so etwas zu machen. Schäm dich!«
»Du bist echt die Letzte. Lass Alexandra in Ruhe.«
»Das ist einfach so was von unprofessionell . . .«
»Ruhe!« Professor Rosenbusch baute sich vor seinen Mitarbeitern auf und ließ seine ganze Autorität spielen. »Das, was ich heute alles erfahren habe, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt, und ich muss zugeben, ich bin entsetzt.«
Linda biss sich auf die Unterlippe. Ihre Finger krampften sich um die Armlehne ihres Stuhles. Ihr war schlecht vor Angst und verzweifelter Hoffnung.
»Ich hatte offensichtlich keine Ahnung, was sich in unserer Klinik abspielt«, fuhr der Chef fort. Er sah zu Jochen. »Und ich muss Frau Kirchhoff zustimmen. Sie sind unter diesen Bedingungen sicherlich nicht der richtige Kandidat für die Nachfolge von Herrn Strobel.«
Das Blut wich aus Jochens Gesicht. Auch Melanie wurde ganz blass. Linda horchte auf: Konnte es sein . . .?
»Zwar dachte ich, ich hätte noch etwas Zeit, bis ich meine Entscheidung verkünden müsste, und könnte noch einige Gespräche vorher führen. Aber unter diesen Umständen bleibt mir keine andere Möglichkeit, als heute schon zu verraten, auf wen meine Wahl gefallen ist.«
Das Herz klopfte Linda bis zum Hals. Warum musste der Chef es bloß so spannend machen? Als hätte es heute nicht schon genug Aufregung gegeben.
»Sie wissen alle, dass eine interne Hausbesetzung manchmal Schwierigkeiten mit sich bringen kann«, sagte Professor Rosenbusch.
Schwindel erfasste Linda. Gab es einen Bewerber von außerhalb? War der ganze Stress umsonst gewesen – hatte der Chef niemals vorgehabt, Alexandra die Stelle zu geben?
Doch da lächelte Professor Rosenbusch in Alexandras Richtung. »Aber ich denke, mit Frau Kirchhoff habe ich trotzdem genau die richtige Wahl getroffen. Ich schätze sie als kompetente Mitarbeiterin, die nicht nur eine hervorragende Arbeit macht – sie vertritt auch ihre Meinung und besitzt berufliche Integrität. Was sie in ihrer Freizeit macht, interessiert mich nicht, solange die Arbeit nicht darunter leidet.«
Applaus brandete auf.
Linda bekam nur noch wie durch Watte mit, dass Alexandra aufstand und über das ganze Gesicht strahlte. Ihr Traum war wahr geworden, sie war Leitende Oberärztin – und sie durften trotzdem zusammen glücklich sein. Es schien tatsächlich wie ein Traum, noch nicht richtig zu begreifen. Offensichtlich hatten sie beide Professor Rosenbusch völlig falsch eingeschätzt. Linda war schon wieder ganz schwindelig, aber diesmal vor ungläubiger, überwältigender Freude.
Professor Rosenbusch trat zu Alexandra und streckte die Hand aus. »Sind Sie mit dieser Entscheidung einverstanden? Über die Details können wir selbstverständlich noch verhandeln.«
Alexandra ergriff die Hand und schüttelte sie. »Natürlich bin ich einverstanden.
Weitere Kostenlose Bücher