Mit Herz und Skalpell
an.
»Es wird alles gut werden«, sagte Linda in die Stille hinein. Es war ebenso an sie selbst gerichtet wie an Alexandra.
Die brummte: »Ich wäre gern so optimistisch wie du.«
Linda zuckte mit den Schultern. »Na ja.« Sie war beim besten Willen nicht so ruhig und gelassen, wie Alexandra zu glauben schien, aber vielleicht war es gut, diese Ruhe zumindest auszustrahlen.
»Was machen wir, wenn die anderen uns das Leben zur Hölle machen?«, fragte Alexandra, und ihre Stimme klang mutlos.
Linda griff nach ihrer Hand. »Warum sollten sie?«
»Warum sollten sie nicht? Es muss nur einer anfangen.«
Lindas Finger streichelten über Alexandras Handrücken. »Es wird sich eine Lösung finden. Und zur Not wechsle ich einfach die Klinik. Das haben wir doch alles schon besprochen.« Sie fing Alexandras Blick auf und hielt ihn fest. »Dann kann dir niemand mehr etwas vorwerfen. Dass du mit einer Frau zusammen bist, ist schließlich kein Verbrechen.«
»Aber . . .«, wollte Alexandra erwidern.
Doch Linda schnitt ihr das Wort ab. »Kein Aber. Für mich ist es überhaupt kein Problem, eine ähnliche Stelle zu finden. Du dagegen wirst nicht so leicht eine vergleichbare Position bekommen.« Sie drückte sachte Alexandras Hand. »Für dich würde ich das ohne Frage machen. Darüber gibt es keine Diskussion.«
Alexandras Blick wanderte in Richtung Küchenuhr. Unaufhaltsam näherte sich der Zeiger dem folgenschweren Zeitpunkt. »Langsam müssen wir los«, sagte sie seufzend.
Linda nickte. »Bringen wir es hinter uns.«
»Du meinst: Gehen wir, um Melanie dabei zuzusehen, wie sie genüsslich unser Leben zerstört?« Alexandras Augen waren von dunklen Schatten umrahmt.
Linda ging um den Tisch herum und legte ihre Arme von hinten um ihre Freundin. Sie wusste, wie schwer es für Alexandra war. Für sie ging es um viel mehr als für Linda. Natürlich mochte Linda ihre Arbeitsstelle und genoss es, mit Alexandra zusammenzuarbeiten, aber abgesehen von der Zusammenarbeit wäre es kein extremer Verlust für sie, sich woanders eine ähnliche Stelle zu suchen. Bei Alexandra sah das ganz anders aus. Alles, was Melanie herumerzählte, konnte ihre Laufbahn für immer zerstören. Und Alexandra ging dieses Risiko ein – aus Liebe zu Linda.
Linda küsste Alexandra zärtlich auf die Wange. »Ich weiß, was du für mich auf dich nimmst. Und ich liebe dich dafür um so mehr«, flüsterte sie sanft. Ihre Lippen glitten zu Alexandras Ohr. »Gemeinsam sind wir stark und werden alles überstehen.«
Alexandra drehte den Kopf nach hinten, so dass ihre Lippen aufeinandertrafen. »Ich liebe dich auch.«
Wenige Sekunden gaben sie sich dem Kuss hin, dann machten sie sich gemeinsam in Alexandras Auto auf den Weg zur Klinik.
»Wollen wir?« Linda stand hinter Alexandra vor dem Frühbesprechungsraum, aus dem ungewohnt lautes Murmeln drang. Sie legte eine Hand auf Alexandras Rücken und streichelte ihn liebevoll. Alexandras Muskeln waren hart.
»Wir haben wohl keine andere Wahl.« Alexandra hob ihr Kinn ein wenig an. Wer es nicht besser wusste, hätte diese Haltung für arrogant halten können. Dann stieß sie mit Schwung die Tür auf, und gemeinsam traten sie ein.
Sofort richteten sich alle Augen auf sie. Die Gespräche verstummten.
Umringt von einigen ihrer Kollegen stand Melanie vorn vor den Stuhlreihen – normalerweise der Platz ihres Chefs. Aber Professor Rosenbusch war noch nicht da. Dafür stand Jochen neben Melanie. Seine Lippen formten sich zu einem spöttischen Grinsen, als er in Lindas und Alexandras Richtung schaute.
Linda hätte ihn am liebsten am Kragen gepackt. Sie konnte seinen Anblick nicht ertragen. Aber jetzt war es ohnehin zu spät: Melanie hatte die Bombe mit Sicherheit schon platzen lassen. Sie hatte wirklich keine Zeit verschwendet.
»Ach, da bist du ja«, durchbrach Melanie die angespannte Stille. Sie warf Alexandra einen Blick zu, der selbst Feuer hätte zum Gefrieren bringen können.
Alexandra schien sich davon nicht beeindrucken zu lassen. Sie wirkte absolut ruhig, auch wenn Linda sicher war, dass es in ihrem Inneren brodeln musste.
Bevor Alexandra sich auf ihren Platz in der ersten Reihe setzte, griff sie noch einmal nach Lindas Hand und drückte sie fest, so als wolle sie ihr sagen, dass sie sich keine Sorgen machen müsste. Dass alle ihr dabei zusahen, schien sie nicht zu kümmern.
Linda suchte sich einen freien Stuhl weiter hinten, von dem aus sie Alexandra beobachten konnte. Lieber hätte sie neben ihrer
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