Mit Herz und Skalpell
bedeutet . . .?« Erwartungsvoll sah er Alexandra an.
Alexandra holte tief Luft, dann nickte sie. Natürlich wusste sie, was das hieß. Und sie konnte sich auch lebhaft vorstellen, was das für die kommenden Wochen bedeutete. »Deine Stelle wird frei. Wir brauchen einen neuen Leitenden Oberarzt.«
»Ganz genau. Und deswegen solltest du das als Erste erfahren.« Rainer fixierte Alexandra. »Du wärst perfekt für diesen Posten.«
Alexandra seufzte. »Abgesehen davon, dass ich noch nicht einmal vierzig bin und . . .« Sie hielt kurz inne. ». . . eine Frau. Unverheiratet noch dazu. Genau die Eigenschaften, die Professor Rosenbusch schätzt.«
»Seit du bei uns an der Klinik bist, konnte ich immer wieder dein Talent bewundern«, konterte Rainer. »Du operierst hervorragend. Kein anderer unserer Oberärzte kommt an dich heran.« Er stand auf, stellte sich hinter seinen Stuhl und stützte sich auf die Lehne. »Und du bist zudem eine großartige Wissenschaftlerin.«
»Ich glaube nicht, dass der Chef das ebenso sieht.« Alexandra zog eine Grimasse.
»Alexandra . . .« Rainer sah sie eindringlich an. »Du weißt, dass ich dich, seit du hier bist, unterstützt habe. Ich habe viele Ärzte gesehen – ich weiß, wovon ich spreche. Meinem Urteil kannst du trauen. Du hast wirklich Talent, und dir steht eine große Karriere bevor.«
Leitende Oberärztin werden. Und vielleicht irgendwann Chefärztin . . . Das war tatsächlich schon immer Alexandras Traum gewesen. Dafür hatte sie tagtäglich hart gearbeitet. Von Anfang an. Schon im Studium. Und Rainer hatte recht. Das wusste sie – so selbstbewusst war sie. Sie war gut.
»Ich werde mich beim Chef für dich einsetzen, wenn du damit einverstanden bist«, fuhr Rainer fort. »Und ich bin mir ganz sicher, dass deine Chancen gut stehen.«
»Danke, Rainer.« Sie sah ihn an, ohne zu lächeln. »Ich weiß es sehr zu schätzen, dass du zu mir gekommen bist.«
»Dann kann ich dich beim Chef für meine Nachfolge vorschlagen?«
Für einen kurzen Augenblick schloss Alexandra die Lider und atmete tief durch. Als sie die Augen wieder öffnete, war ihr Blick fest. »Ja, kannst du.« Mit einem Kopfnicken unterstrich sie ihre Worte.
Rainer löste seine Hände von der Stuhllehne. »Sehr gut, ich freue mich. Dann werde ich mal weiter arbeiten gehen.« Als er die Tür erreicht hatte, drehte er sich noch einmal um: »Du solltest in Zukunft jedenfalls nett zu deiner neuen Assistentin sein.«
»Ich bin immer nett zu meinen Assistenten«, erwiderte Alexandra, eine Spur Entrüstung in der Stimme.
Rainer zwinkerte. »Da habe ich aber schon anderes gehört.«
Alexandra krauste die Stirn. »Wenn der eine oder andere so empfindlich ist und mit Kritik nicht umgehen kann, kann ich auch nichts dafür.«
»Dann beherrsch dich bei Linda Willer eben.«
Die Erwähnung von Lindas Namen ließ Alexandras Laune aus unerfindlichen Gründen steigen. Beinahe lächelte sie nun doch. »Was ist denn mit Linda?«, fragte sie.
»Ihr Vater wird dir das Leben zur Hölle machen, wenn du seiner Kleinen etwas antust.«
»Ihr Vater?«
»Professor Willer. Der Neurochirurg aus Düsseldorf.«
Alexandra erstarrte. » Der Professor Willer?« Ihre Zähne gruben sich schmerzhaft in ihre Unterlippe.
»Genau der.«
Alexandra legte den Kopf in den Nacken. »Verdammt«, murmelte sie.
»Das wusstest du nicht?«
Alexandra schüttelte den Kopf. »Anscheinend ist mir das entgangen.« Wie hatte ihr das nur passieren können?
»Na, dann weißt du es jetzt.« Rainer nickte ihr zu und ging.
Professor Willer. Linda war seine Tochter. Ausgerechnet. Alexandra stand auf, ging zum Fenster hinüber und blickte in den Park.
Willer.
Der Name hätte ihr doch sofort auffallen müssen. Aber wahrscheinlich hatten sie andere Dinge an Linda abgelenkt. Alexandra konnte das Lächeln jetzt nicht mehr unterdrücken. Auf sonderbare Weise war sie vom ersten Augenblick an von Linda fasziniert gewesen. Für ihren Namen hatte sie sich dabei nicht interessiert. Und Linda war so anders als ihr Vater, dass wohl niemand von selbst darauf gekommen wäre, dass sie seine Tochter sein könnte.
Sie atmete ein paarmal tief ein und aus. Ihr Magen zog sich zusammen. Nein. Nein, ich denke jetzt nicht mehr daran. Das ist vorbei.
Entschlossen stand sie auf und nahm ihren Kittel vom Haken. Es war Zeit für die nachmittägliche Visite. Arbeit war immer das beste Heilmittel, gegen alte wie neue Katastrophen. Das hatte sie jahrelang mit Erfolg
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