Mit Herz und Skalpell
Dank. Und nun möchte ich Ihnen unsere neue Kollegin vorstellen: Frau Linda Willer.«
Alle Augen waren auf Linda gerichtet. Sie erhob sich, nickte in die Runde und murmelte ein kurzes »Hallo.«
»Ab heute wird es auch eine neue Einteilung geben«, fuhr Professor Rosenbusch fort. »Frau Willer, Sie werden auf die chirurgische Onkologie gehen, zu Frau Kirchhoff. Herr Finke wird Sie dort verstärken. Kümmern Sie sich gut um unsere neue Mitarbeiterin.« Er nickte Andreas zu, der alles andere als zufrieden mit dieser Entscheidung aussah. »Frau Hübner wird auf die Überwachungsstation rotieren.«
»Endlich.« Yvonne stöhnte auf. »Noch einen Tag länger hätte ich es bei dieser Sklaventreiberin auch nicht mehr ausgehalten.«
»Was meinst du?« Linda wandte sich neugierig zu Yvonne, während der Chef den übrigen Rotationsplan vorstellte.
»Ach, vergiss es«, sagte Yvonne hastig und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du wirst viel lernen bei Alexandra.«
In diesem Moment legte Andreas eine Hand auf Lindas Schulter. »Komm, ich zeig dir die Station.«
Linda stand auf und folgte ihm. Obwohl sie das Krankenhaus bereits kannte, würde es sicher noch eine Ewigkeit dauern, bis sie sich hier nicht mehr ständig verlaufen würde.
»In einer halben Stunde ist es mit der Ruhe vorbei«, sagte Andreas.
Fragend sah Linda ihren Kollegen an.
»Oberarztvisite«, erklärte er. »Wenn Alexandra erst einmal die Station betreten hat, tobt der Sturm.«
Linda fuhr sich mit dem Finger über das Kinn. Bei den anderen Assistenzärzten schien Alexandra nicht sonderlich beliebt zu sein.
»Sie ist eine exzellente Chirurgin«, fuhr Andreas fort, als habe er Lindas Gedanken gelesen. »Aber ich habe selten eine so arrogante und rücksichtslose Person kennengelernt. Nimm dich vor ihr in Acht. Sonst bist du schneller weg vom Fenster, als du gucken kannst. Du wärst nicht die Erste, die sie auf dem Gewissen hat.«
Linda hatte gar keine Zeit, über seine Worte nachzudenken, denn mittlerweile waren sie auf der Station angekommen. Andreas bedeutete ihr, ihm zu folgen, und machte Linda mit dem Pflegepersonal bekannt. Alle begrüßten Linda sehr freundlich. Sie hatte nur Zweifel, dass sie sich alle Namen würde merken können. Dann zeigte er ihr noch einmal in Ruhe die übrigen Räume.
Als sie gerade vor der Tür des Arztzimmers standen, hörte Linda feste Schritte. Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Alexandra hinter ihnen stand.
»Da seid ihr ja.« Alexandra folgte den beiden ins Zimmer. »Nehmt Platz«, forderte sie sie auf und suchte sich einen Stuhl, von dem aus sie Linda und Andreas sehen konnte. »Ich freue mich, dass du hier bist«, wandte sie sich dann an Linda. »Ich halte es eigentlich immer so, dass ich mich mit den Assistenten duze. Ich finde, das ist im OP angenehmer. Ist das okay?«
Linda nickte. »Natürlich.«
»Sehr gut. Bevor es gleich mit der Visite losgeht, noch ein paar grundlegende Dinge. Ich habe mich bei Professor Rosenbusch sehr dafür eingesetzt, dass du auf meine Station kommst.« Alexandras Augen suchten Lindas.
Sie hatte was? Linda konnte diesem intensiven Blick kaum standhalten, und noch viel weniger konnte sie glauben, was sie da hörte. Sie hielt die Luft an.
»Und deshalb hoffe ich ganz besonders, dass du mich nicht enttäuschst. Ich erwarte Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Fleiß.« Mit jedem Wort deutete Alexandras Zeigefinger in Lindas Richtung. »Haben wir uns verstanden?«
Linda nickte abermals. »Selbstverständlich.« Das konnte ja heiter werden.
»Und Andreas«, Alexandra richtete ihren durchdringenden Blick nun auf Lindas Kollegen, und ihre Stimme war zum Schneiden scharf, »du brauchst gar nicht so die Augen zu verdrehen. Das gilt für dich genauso.« Sie stand auf und zog ihren Kittel zurecht. »Und jetzt los, die Patienten warten.«
Andreas marschierte voran und griff nach dem Wagen, in dem die Akten verstaut waren. Währenddessen zeigte Alexandra zum Ende des Flurs und verkündete: »Wir fangen dort hinten an. Heute wirst du alle Patienten kennenlernen. Andreas wird mir diese Woche überwiegend im OP assistieren, dann hast du genügend Zeit, dich hier mit allem vertraut zu machen.«
Linda straffte die Schultern. »In Ordnung, das werde ich.« Wenn sie unter Alexandra bestehen wollte, musste sie sich zusammenreißen. Es würde nicht reichen, wie sonst auch einmal ein Auge zuzudrücken. Daran ließ Alexandra keinen Zweifel.
Sie waren vor der ersten Zimmertür
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