Mit Kuessen und Nebenwirkungen
Vertrautheit zwischen ihnen entstanden.
„Es gibt einen Umzug?“
„Natürlich. Allerdings ist der eher etwas unorganisiert. Kinder auf Fahrrädern und Menschen in Cabriolets. Außerdem wird einer der Feuerwehrwagen mit Bändern und Blumen geschmückt.“ Sie grinste. „Meine Freundin Charlie ist Feuerwehrfrau. Sie hasst Veranstaltungen wie diese. Wie sagt sie immer? Jeder Feiertag bietet den Leuten Gelegenheit, Dummheiten zu machen. Aber sie mag es, Kinder über Sicherheitsvorschriften und Brandschutz zu unterrichten und ihnen die Ausstattung der Wagen vorzuführen.“
Alistair runzelte die Stirn. „Also ist sie gleichzeitig glücklich und frustriert?“
„Ja, Charlie ist ein Widerspruch in sich.“
„Klingt ganz so.“
„Hatte ich die Ziegen erwähnt?“, fragte sie.
Er schaute sie an – und hätte sich gerne in ihren haselnussbraunen Augen verloren. Stattdessen riss er sich zusammen, um sich wieder auf die Unterhaltung zu konzentrieren. „Nein. Daran hätte ich mich erinnert. Sind sie Teil der Festlichkeiten?“
„Sie gehören meiner Freundin Heidi und laufen in der Parade mit. Heidi ist diejenige, der du dich nur in Unterhose gezeigt hast. Sie stellt Käse und Seife her.“
„Die Seife, die in der Dusche liegt?“
„Ja, genau. Ziegenseife. Die ist sehr mild und gut bei verschiedenen Hautproblemen.“
„Das wusste ich nicht.“ Aber es war eine Information, die er auf seinen Reisen vielleicht nutzen könnte. Eine weitere Möglichkeit, seinen Patienten zu helfen.
„Komm schon.“ Sie zog ihn mit sich. „Wir müssen uns beeilen, sonst sind die besten Plätze weg.“
Er ließ sich von ihr mitziehen. Ihr langes Haar flatterte in der leichten Brise. Sie hatte ihre Jeans gegen ein Sommerkleid getauscht, das viel von den Schultern und Beinen sehen ließ. Sehr verlockend, dachte er und fragte sich, wie es wohl wäre, dem ständig pulsierenden Verlangen in seinem Inneren nachzugeben.
Seit Saras Tod hatte es durchaus Frauen gegeben. Lockere Beziehungen, die mehr auf biologischen als auf emotionalen Bedürfnissen beruht hatten. Er hatte geglaubt, nie wieder jemanden zu finden, der sein Herz berühren würde. Der Verlust seiner Familie hatte ihn am Boden zerstört.
Aber mit Paige gingen die Gefühle tiefer als reine Lust. Obwohl er zugeben musste, sie gerne in seinem Bett zu haben, kreisten seine Fantasien nicht um ihren Körper, sondern um ihren Kopf … und ihr Herz.
Er unterhielt sich gerne mit ihr. Sie war so unendlich neugierig. Sie schien ihn so zu akzeptieren, wie er war, ohne ihn zu verurteilen, und sie lachte gern und oft. Als sie sich Fotos von seinen Patienten auf seinem Handy angeschaut hatte, hatte sie ihn daran erinnert, wie glücklich er sich schätzen durfte, mit seiner Tätigkeit Menschenleben zu verändern. Sie brachte ihn dazu, Dankbarkeit für seine Ausbildung und seine Fähigkeiten zu empfinden.
Vor einer Reihe von Läden blieben sie stehen. Die Menschen standen in diesem Teil der Stadt nicht ganz so gedrängt. In der Ferne hörte er einen Spielmannszug.
Die Straßenlaternen waren mit bunten Blumenampeln geschmückt. Wimpel und Banner flatterten im Wind. Der Himmel war blau und die Temperatur betrug angenehme zwanzig Grad. Doch was seine Aufmerksamkeit erregte, war das Verhalten der Menschen. Er sah, wie eine Gruppe Zuschauer Platz machte, um eine Familie mit kleinen Kindern nach vorne durchzuwinken. Dort wurde der Buggy dann direkt am Bürgersteig geparkt. Die Mutter setzte sich neben ihr Baby, während das etwas ältere Kind vom Vater auf die Schultern genommen wurde.
Es gab kein Gedränge und Geschubse, nur Lachen und freundliche Gesichter. Zwei Teenager schrieben kichernd SMS an ihre Freunde. Ein älteres Pärchen flüsterte sich etwas ins Ohr.
Das ist so normal, dachte Alistair. Vertraut. Ganz anders als das Leben, das er seit dem Tod von Sara und seiner Tochter führte. Er war ständig unterwegs – von einem Land zum anderen. Trotz der regelmäßigen Anrufe seiner Eltern, sie doch mal wieder besuchen zu kommen, hatte er sich immer neue Aufgaben gesucht und war ferngeblieben.
Während er nun neben Paige stand und auf den Festumzug wartete, erkannte er, dass er nicht nur gegen Masern und Erschöpfung angekämpft hatte. Seine Erkrankung reichte wesentlich tiefer – bis in sein Herz. Er hatte sich seiner eigenen Verzweiflung nicht stellen können. Hatte seine Verantwortung nicht annehmen können. Er war so schnell weggelaufen, dass er keine Zeit gehabt hatte, stehen
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