Mit Kurs auf Thule
Renaissancestadt Nürnberg übernahm, deren lateinischer Name Noremberga/Norimberga lautete. Da Verrazzanos glühende Beschreibung von Refugio war zum Beleg für eine embryonische neuweltliche Version von Nürnberg geworden, etwa so, wie die aztekische Hauptstadt Temixtitan als eine Neufassung von Venedig galt.
Die Erkundungsreisen von Samuel de Champlain ließen den »Norumbega«-Ballon schließlich platzen; seine Karte der Region um den St.-Lorenz-Strom zeigte 1612/1613
norembegue
nur als unbedeutende Siedlung an der äußeren Penobscot-Küste. Europäer fühlten sich dennoch etwa ein Jahrhundert lang zu diesem mythischen Ort hingezogen, nachdem Gastaldi »Nurumberg« 1548 auf seiner Nordamerikakarte verzeichnet hatte, und bis zum heutigen Tag gibt es Menschen, die davon überzeugt sind, dass ein Teil Neuenglands und Südkanadas von nordischen Grönländern besiedelt wurde – hochgewachsen und hellhäutig wie die Ureinwohner, die Jean Alfonce und da Verrazzano beschrieben und einige Karten seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zeigten.
Dieser »Nordmänner«-Mythos begann 1570 mit der Nordamerikakarte, die Abraham Ortelius für seinen berühmten Atlas
Theatrum Orbis Terrarum
zeichnete. Sie zeigt »Norombega« als ein großes Territorium direkt südlich des St. Lorenz-Stroms und westlich der »Terra de Baccalaos« (Neufundland-Labrador). Weiter im Norden auf dem Festland markiert der Fluss »R. de Tormenta« die Südgrenze von Niccolò Zenos »Estotilant«. Eine weitere Reminiszenz an Zeno ist ein in die Länge gestrecktes Grönland sowie ein kleineres »Groclant«, eindeutig bei Gerhard Mercator kopiert, der ein Jahr zuvor Zenos Vorstellungen im Großen und Ganzen übernommen hatte. 27 Die Nordatlantik-Karte von Hans Poulsen Resen aus dem Jahr 1605 zeigt, wie stark sowohl Zenos Vorstellungen wie auch die Idee von »Norumbega« als nordischer Domäne auf die amerikanischen Ambitionen der Dänen abfärbten. In der Karte findet sich »Estotilanda« als Halbinsel zwischen einer Halbinsel Grönland und einer weiteren |258| Halbinsel Markland, und Vínland liegt relativ weit im Süden, knapp nördlich des angeblichen Landes Norumbega.
Als die von Zeno herausgegebenen Karte und Texte schließlich als Fälschungen entlarvt wurden, konnte man nicht länger argumentieren, dass die Menschen, die die unternehmungslustigen Zeno-Brüder angeblich im Nordwestatlantik gesehen hatten, Nordmänner ganz in der Nähe von »Norumbega« gewesen wären. Weil allerdings die nordischen Grönländer verschollen blieben und sie doch sicher in »Norumbega« gelandet sein mussten, überlebte der Mythos und wurde passgenau mit anderen Fantasien zu den Nordmännern in Nordamerika zusammengesetzt.
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|259| Anmerkungen
Einleitung
1
Diplomatarium Norvegicum (DN)
17:849.
2
Adam von Bremen, »Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum« (Geschichte der Erzbischöfe von Hamburg-Bremen) in: Trillmich, Werner und Rudolf Buchner (Hg.),
Quellen des 9. und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der Hamburgischen Kirche und des Reiches
(FSGA 11), 7. Auflage, Darmstadt 2000, S. 137–499. Zu Island und Grönland: III,23; III,77; IV,10; IV, 25–30 (Schweden und Norwegen); IV, 35–39; hier IV, 37.
3
Adam von Bremen, »Geschichte der Erzbischöfe von Hamburg-Bremen«, IV, 39.
Kapitel 1
1
Fridtjof Nansen überquerte 1888 erstmals das Grönlandeis auf dem Landweg von Osten nach Westen.
2
»Die Geschichte von Erich dem Roten« in:
Grönländer und Färinger Geschichten,
übers. v. Felix Niedner, Thule Bd. 13, Düsseldorf 1965, S. 23–48. Der isländische Wissenschaftler Ólafur Halldórsson ist der Ansicht, Eirik könnte auch in Westisland aufgewachsen sein (Halldórsson, Ólafur,
Grænlandí mi ∂ aldaritum
, Reykjavík 1978, S. 319ff.).
3
»Aris Isländerbuch«, Kap. 6, in:
Islands Besiedlung und älteste Geschichte,
übers. v. Walter Baetke, Thule Bd. 23, Düsseldorf 1967, S. 48f.
4
Die beiden Vínland-Sagas finden sich in:
Grönländer und Färinger Geschichten,
übers. v. Felix Niedner, Thule Bd. 13, Düsseldorf 1965.
5
Liestøl, Aslak, »Runes«, in: Alexander Fenton und Hermann Pálsson (Hg.),
The Northern and Western Isles in the Viking World
, Edinburgh 1984, S. 232f.; Seaver, Kirsten A.,
The Frozen Echo. Greenland and the Exploration of North America ca. A.D. 1000–1500
, Stanford 1996, S. 16.
6
Rafn, Carl Christian, und Finn Magnusen (Hg.),
Antiquitates Americanae
, Hafniæ 1837 (zum Turm in Newport S.
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