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Mit Kurs auf Thule

Mit Kurs auf Thule

Titel: Mit Kurs auf Thule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten A. Seaver
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Priester dazu zu bringen, eine Karte zu zeichnen, die es, wie er meinte, durchaus irgendwann einmal gegeben haben könnte, und sie mit kartografischen und historischen Rätseln zu füllen, die garantiert jeden Nazi-»Wissenschaftler« vor Probleme stellen würden, wenn die Karte nach dem Tod ihres Schöpfers an die Öffentlichkeit käme.
    Doch irgendwie lief alles ganz anders, und es war nicht Fischers Schuld, dass durch die Veröffentlichung der Karte und des begeitenden Buches 1965 in Yale krude Vorstellungen über die Nordmänner im Nordatlantik in die Welt gesetzt wurden. Sie ergaben sich aus dem Versagen der drei Yale-Autoren, die verschiedene verräterische Fehler in der längeren Beschriftung der »Vínilanda Insula« nicht fanden und die ganze Zielrichtung der Karte nicht verstanden. Ihnen fiel nicht auf, dass, wenn der grönländische Bischof Eirik Gnúpsson (Henricus) nach Vínland gegangen wäre, seine Reise das letzte Glied eines frühen und erfolgreichen weltweiten missionarischen Ausgreifens der römischen Kirche gewesen wäre.

|256| »Norumbega«
    Ein zweiter kartografischer Mythos, der mit den Nordmännern zu tun hatte, nahm in Nordeuropa gegen Ende des 16. Jahrhunderts Gestalt an. Es ging um die Behauptung, dass der Name »Norumbega«, der damals auf verschiedenen Karten Nordamerikas auftauchte, eine Variante von »Norwegen« sei und anzeige, dass man genau dort nach den Nachfahren der grönländischen Nordmänner wie auch nach einigen der nordwestatlantischen Gegenden, die bei Zeno beschrieben worden waren, suchen solle. 25
    »Norumbega« und Varianten dieses Namens waren in der Kartografie weithin anerkannt, als Giacomo Gastaldi in seiner Karte Nordamerikas »Nurumberg« 1548 in Neufrankreich verortete. Auch in den prächtigen handgezeichneten Karten der Schule von Dieppe aus der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Ort hervorgehoben – manchmal mit verlockenden Anspielungen auf Reichtum und städtischen Glanz. Diese Karten, die französische Entdeckungen in der Gegend um »Norumbega« illustrierten, meinten damit eher das Gebiet um den St.-Lorenz-Strom, nicht um den Penobscot River in Maine, mit dem »Norumbega« auch in Verbindung gebracht worden ist. Reiseberichte waren heiß begehrte Informationsquellen der Kartografen in Dieppe, und die fantastischen Geschichten, die Jean Alfonce de Saintonge erzählte, nachdem er die Kolonisationsflotte des Sieur de Roberval 1542 zum St.-Lorenz-Strom gelotst hatte, gewannen beträchtlichen Einfluss. Jean Alfonce behauptete, auf seiner Exkursion den Fluss Noronbegue hinauf die »Stadt Noronbegue« erreicht zu haben, und ließ seiner Fantasie freien Lauf bei der Beschreibung der Einwohner, die in Pelze gekleidet waren, Mäntel aus Zobelfell trugen, die Sonne anbeteten und viele Worte verwendeten, die wie Latein klangen. Nicht zuletzt sagte er auch, dass die Menschen großgewachsen und hellhäutig waren.
    Sehr wahrscheinlich hatte Jean Alfonce den Brief an François I. von Frankreich gelesen, den Giovanni da Verrazzano nach seiner Rückkehr nach Dieppe über seine Erkundung der nordamerikanischen Ostküste im Jahr 1524 geschrieben hatte. Damals waren verschiedene Abschriften dieses Briefes im Umlauf. Da Verrazzano war erstmals bei Cape Fear in North Carolina an Land gegangen und hatte seinen Weg in Richtung Norden nach Angoulême (New York Bay) und Refugio (Narragansett Bay) fortgesetzt. Er beschrieb die Ureinwohner von Refugio als hochgewachsen und hellhäutig und legte den Samen jener urbanen Fantasiegebilde, indem er schrieb: »Wenn [die Bewohner von Refugio] die fähigen Handwerker hätten, die wir haben, dann würden sie großartige Bauwerke errichten, denn die ganze Meeresküste ist voller verschiedener |257| blauer Steine, Kristalle und Alabaster, und zu solchem Zweck hat sie eine Unmenge von natürlichen Häfen und geschützten Stellen für Schiffe«. 26
    Giovannis Bruder Girolamo da Verrazzano schuf 1529 zwei Weltkarten, mit denen er Giovannis Entdeckungen in »Nova Gallia« illustrierte, und dort finden wir die Anfänge des Namens Norumbega, geschrieben unterschiedlich, etwa auch als
oranbega
und
oranbegha.
Benannt ist damit ein Meeresarm, der mehr oder weniger im Penobscot-Gebiet liegt. Bis heute weiß niemand, was der Name den Verrazzano-Brüdern bedeutete, aber durch die Verschmelzung einer Reihe von kosmografischen, literarischen und kartografischen Werken entstanden das Land und die Stadt »Norumbega«, die ihren Namen von der prächtigen

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