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Mit offenen Karten

Mit offenen Karten

Titel: Mit offenen Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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kann sein Verhalten ins Gegenteil umschlagen. Wenn Miss Meredith in der Vergangenheit ein Verbrechen begangen hat und wenn sie glaubte, dass Mr Shaitana die Umstände des Verbrechens kannte und im Begriff war, sie der Gerechtigkeit auszuliefern, so würde sie vor Angst toll werden und vor nichts zurückschrecken, um sich zu retten. Das Ergebnis wäre somit das gleiche, nur durch verschiedene Reaktionen hervorgerufen – nicht durch Kaltblütigkeit und Kühnheit, sondern durch den Mut der Verzweiflung. Nehmen wir dann Major Despard – ein kühler, findiger Kopf, gewillt, im Notfall viel zu wagen. Er würde das Für und Wider abwägen und eventuell beschließen, das Risiko auf sich zu nehmen – und er ist der Typ, der lieber handelt als untätig bleibt und auch ohne zu zögern den gefährlichen Weg einschlagen würde, wenn er an eine vernünftige Erfolgschance glaubte. Schließlich haben wir noch Mrs Lorrimer, eine ältere Frau, aber im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Eine kaltblütige Frau mit einem präzise arbeitenden, ja mathematischen Gehirn. Sie hat vermutlich den besten Kopf von den vieren. Ich glaube, Mrs Lorrimer könnte ihrer Veranlagung nach nur ein vorbedachtes Verbrechen begehen. Ich kann mir vorstellen, dass sie ein Verbrechen sorgfältig plant und sich vergewissert, dass ihr auch kein Fehler unterläuft. Sie ist eine äußerst leistungsfähige Frau.»
    Er hielt inne.
    «Sie sehen, dass uns das alles nicht viel weiterhilft. Nein – in diesem Fall gibt es nur eine Methode, wir müssen mehr über die Vergangenheit wissen.»
    «Stimmt», seufzte Battle.
    «Laut Mr Shaitana hat jeder dieser vier Leute einen Mord begangen. Hatte er Beweise? Oder waren es nur Vermutungen? Das können wir nicht sagen. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass er in allen vier Fällen tatsächlich Beweise hatte…»
    «Da stimme ich Ihnen zu», sagte Battle. «Das wäre ein zu seltsames Zusammentreffen.»
    «Es dürfte sich ungefähr so abgespielt haben: Ein Mord oder eine bestimmte Art von Mord wird erwähnt und Mr Shaitana entdeckt in irgendjemandes Gesicht einen bestimmten Ausdruck. Ihm entging da nichts. Es unterhält ihn, zu experimentieren – im Laufe einer scheinbar nichtssagenden Konversation zu sondieren. Er liegt auf der Lauer nach jedem Wimpernzucken, jeder Reserviertheit, jedem Versuch, das Thema zu wechseln. Oh, es ist kein Kunststück. Wenn man einen bestimmten Verdacht hegt, ist nichts leichter, als diesen Verdacht bestätigt zu sehen. Man bemerkt jedes Wort, das trifft – wenn man auf so etwas achtet.»
    «Es ist die Art Spiel, die unseren verstorbenen Freund amüsiert hätte», sagte Battle nickend.
    «Wir dürfen also annehmen, dass es sich in einem oder mehr Fällen so abgespielt hat. Er mag in diesem oder jenem Fall auf einen tatsächlichen Beweis gestoßen sein. Ich glaube nicht, dass er in irgendeinem der Fälle genügend tatsächliches Beweismaterial hatte, um zum Beispiel eine polizeiliche Anzeige zu erstatten.»
    «Oder vielleicht war es nicht diese Art Fall», überlegte Battle. «Es gibt oft genug unsaubere Geschichten – wir vermuten, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, aber wir können nichts beweisen. Jedenfalls ist unser Weg vorgezeichnet. Wir müssen das Vorleben all dieser Leute durchgehen – und jeden eventuell inkriminierenden Todesfall notieren. Ich vermute, Sie haben, ebenso wie Colonel Race, bemerkt, was Shaitana bei Tisch gesagt hat?»
    «Der schwarze Engel», flüsterte Mrs Oliver.
    «Eine deutliche kleine Anspielung auf Gift, auf Unglücksfälle, auf die Möglichkeiten eines Arztes, auf Jagdunfälle. Es sollte mich nicht wundern, wenn er mit diesen Worten sein Todesurteil unterschrieben hat.»
    «Es war eine unheimliche Pause», sagte Mrs Oliver schaudernd.
    «Ja», bestätigte Poirot. «Diese Worte haben bei mindestens einer Person ins Schwarze getroffen – der oder die Betreffende glaubte wahrscheinlich, das Shaitana viel mehr wusste, als tatsächlich der Fall war, dass die Gesellschaft ein theatralischer Scherz Shaitanas sei, mit einer Verhaftung wegen Mordverdachts als Höhepunkt! Ja, wie Sie sagen, er unterschrieb sein Todesurteil, als er seine Gäste mit diesen Worten reizte.»
    Einen Augenblick lang schwiegen sie alle.
    «Das wird eine lange Geschichte werden», seufzte Battle. «Wir können nicht alles, was wir brauchen, auf einmal herausbringen, und wir müssen vorsichtig sein. Wir wollen nicht, dass einer von den vieren ahnt, was wir vorhaben. All unsere Verhöre

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