Mit Pflanzen verbunden
Wegraine besiedelten, die so genannten archäophytischen Ruderalpflanzen wie die Eselsdistel, die Große Klette, die Schwarznessel, der Natternkopf, die kleine Brennnessel, das Herzgespann und viele mehr. Die neolithischen Bauern brachten also „ihre Pflanzen“ mit. Abergläubische Bräuche und Folklore, die mit diesen Wildkräutern zu tun haben, und ebenso das heute noch aktuelle volksmedizinische, heilkundliche Wissen gehen kulturgeschichtlich auf diese Siedler zurück.
Gerade diese in der Jungsteinzeit (Neolithikum) eingeschleppten Kräuter gelten bei unseren Naturpuristen als echte einheimische, mitteleuropäische Flora. (Diese oft gefährdeten und schutzbedürftigen Gewächse sind jedoch weniger durch die Neophyten bedroht, sondern viel mehr durch die allgemeine Umweltzerstörung, durch Gift und grelle Nachtbeleuchtung, die die notwendigen bestäubenden Insekten dezimieren, sowie durch Überbauung und lebensfeindliche Agrartechnologie.)
Auch wenn es hier und da kleine Rodungen gab, war Mitteleuropa, wie es der römische „Ethnologe“ Tacitus beschreibt, noch lange ein „Land, starrend vor Wäldern und entstellt durch Sümpfe“. Als dann die Römer nördlich der Alpen siedelten, brachten sie – neben ihrer Hauptdrogenpflanze, der Weinrebe, und Nutzpflanzen wie Obst und Walnüssen, der Jovis glans, „Jupiter-Eichel“, wie die Römer sie nannten – auch neue Wildkräuter mit: Schöllkraut, Zimbelkraut, Ackerröte (Sherardia) , Burzel (Portulaca) , Katzenminze (Nepeta) und andere.
Die christlichen Missionare mit ihrem im sonnigen Mittelmeerraum geprägten urbanen Weltbild sahen den Wald als gottverlassene Wildnis an. Eine Rodungs- und Urbarmachungsperiode setzte während der Karolingerzeit ein. Die Vegetation veränderte sich entsprechend. Die Mönche hielten sich an ein dualistisches Weltbild, das sie vom Kirchenvater Augustinus, einem ehemaligen Manichäer, geerbt hatten. Dieses Weltbild teilte die Schöpfung in ein Schwarz-Weiß- beziehungsweise Gut-Böse-Schema ein, in welchem die domestizierten Gewächse als „gut“, Ackerwildkräuter dagegen als „böse“ eingestuft wurden. Satan selbst hatte diese „Unkräuter“, wie auch die Giftpflanzen und Hexenkräuter, ausgesät. Etwas von diesem moralisierenden Dualismus haftet meiner Meinung nach noch immer den Naturpuristen an.
Im Mittelalter führten Bevölkerungsdruck, die abnehmende Bodenfruchtbarkeit, die Waldzerstörung durch Überweidung und das Errichten von Glashütten, Bergwerken und Salzpfannen zum Verlust des ökologischen Gleichgewichts; das wiederum verursachte Seuchen und soziale Spannungen. Mit dem kommerziellen Zugang zur Neuen Welt kamen auch neue Pflanzen nach Europa: Mais, Kartoffeln, Bohnen, Kürbisse, Topinambur, Paprika und Tomate, die die Ernährungslage verbesserten, sowie auch Wildpflanzen, die aus ökologischer Sicht viel zur Wiederherstellung der landschaftlichen Vitalität beitrugen.
Bei einigen dieser so genannten Neophyten kennen wir sogar das genaue Datum ihrer Ankunft: Die Kanadische Goldrute wurde, zusammen mit der Wilden Goldmelisse (Monarda didyma) , 1656 als Zierpflanze nach Europa gebracht; die Nachtkerze (Oenothera biennis) breitet sich seit 1612 aus, nachdem sie im Botanischen Garten von Padua angepflanzt wurde; der Weiße Fuchsschwanz (Amaranthus albus) kam 1880, der Grünährige Fuchschwanz (A. chlorostachys) 1903, die Strahlenlose Kamille (Matricaria discoidea) 1852. Wenn man das als Gesamtheit betrachtet, hat man den Eindruck, die Pflanzen würden bewusst agieren. Sie spannen Wind und Wasser, Mensch und Tier ein, um sich fortzubewegen und um ihr Areal zu vergrößern. Manchmal – so die Aussage der Schamanen – befreunden sie sich mit Menschen und gehen mit ihnen auf Reisen. Siedler haben immer „ihre“ Pflanzen mitgenommen. Das haben die schwarzen Sklaven getan, die in die Neue Welt verschleppt wurden – sie brachten ihre Lieblingspflanzen wie Okra (Abelmoschus esculentus) , Jamswurzeln, Cucumis- Arten, Augenbohnen (black eyed peas , Vigna unguiculata) und viele andere mit (Grimé 1979). Das tun auch die Einwanderer, die heutzutage aus allen Erdteilen nach Europa kommen. Mönche – christliche, taoistische wie auch buddhistische – packten schon immer irgendwelche Samen in ihre Reisetaschen. Viele zum Teil auch bei uns verwilderte mediterrane Kräuter – Gartensalbei, Raute, Glaskraut, Rosmarin, Fenchel, Kerbel, Zitronenmelisse, Muskatellersalbei und andere – wurden von Mönchen in unsere
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