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Mit Pflanzen verbunden

Mit Pflanzen verbunden

Titel: Mit Pflanzen verbunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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der vitale Japanische Riesenknöterich (Polygonum confertum , Reynoutria japonica) und der zum Verwechseln ähnliche Sachalinknöterich (P. sachalinense, R. sachaliensis) , im Begriff ist, ganze Flusstäler, Auen und Böschungen zu besiedeln und den schwächeren einheimischen Pflanzen ihr Plätzchen an der Sonne streitig zu machen.
    Stimmt es wirklich, dass die neu eingewanderten Pflanzen, die Neophyten, im gnadenlosen Verdrängungskampf die einheimische Flora gefährden? Oder ist es vielmehr so, dass wir uns bedroht fühlen, wenn die Natur im Fluss des lebendigen Wandels unsere eher starren, kategorischen Denkmuster und Ordnungsschemata, die wir ihr aufzwingen wollen, über den Haufen wirft? Pflanzen und auch Tiere, die sich über unsere ordnenden Eingriffe hinwegsetzen, sind dann „böse“ und müssen bekämpft werden. Ein klassischer Fall der Projektion! So wird jener unbewusste psychologische Mechanismus bezeichnet, durch welchen die Menschen ihre inneren Ängste und Verunsicherungen auf andere Wesen übertragen, um sie dort, sozusagen stellvertretend, bekämpfen oder unterdrücken zu können. Ziel solcher Übertragungen sind oft wehrlose und schwache Wesen, etwa soziale Unterschichten, Außenseiter, Minderheiten, Tiere – und immer wieder die stille, duldsame Vegetation. Ein Blick in die Geschichte der Ethnobotanik zeigt, dass die Pflanzen immer wieder als Projektionsfläche dienten.
    Projektion war es – damals, als die Pest und dann im 16. Jahrhundert die Syphilisepidemie wütete –, die aus kräuterkundigen Frauen „Hexen“ und aus geistbewegenden Pflanzen „Hexen- und Teufelskräuter“ machte. Den Zigeunern, die um diese Zeit in Europa auftauchten, wurde mitunter zur Last gelegt, nicht nur Seuchen eingeschleppt, sondern auch den giftigen Stechapfel (Datura stramonium) und etliche andere lästige Unkräuter mitgebracht zu haben.
    Gegen Ende des 17. Jahrhunderts tauchte auf den Feldern und Äckern Nordeuropas massenweise die Saat-Wucherblume (Chrysanthemum segetum) auf. „Das böse Kraut“, „Teufelsblume“ und „Wucherblume“ nannten die Bauern sie und schimpften über die Nachbarvölker, von denen sie ursprünglich gekommen sein sollte: die Schweden über die Dänen, die Dänen über die Holsteiner, diese wiederum über die Brandenburger. Aus Jütland berichtet ein Hans Mossin (1773): „Es gibt kein Unkraut, das sich nicht durch ein Mittel vertreiben lässt – ausgenommen eine Art, die Brandenborger genannt wird ... die Bauern nennen sie böse Kräuter, ein Name, den sie so recht verdienen. Der Bauer schließt deshalb dieses Kraut unter den Bösen ein, dass er Gott bittet, ihn davon zu befreien, sooft er sein Vaterunser liest“ (Bøndegaard 1985: 11). Einzige Bezeichnungen für die Saat-Wucherblume, wie „Batzenkraut“, „Hellerblume“ oder „Twölfgrotenblome“ (Zwölfgroschenblume), beziehen sich auf die Bußgelder, die den Bauern auferlegt wurden, wenn nach der amtlichen Besichtigung auf ihren Äckern eine dieser Blumen gefunden wurde. Tatsächlich war die Pflanze eine Plage. Aber ihre Ausbreitung wurde durch die neuen landwirtschaftlichen Methoden gefördert, die nach dem Dreißigjährigen Krieg aufkamen und das Ende der mittelalterlichen Dreifelderwirtschaft und Allmende bedeuteten. Die mit ländlichem Strukturwandel verbundenen Unsicherheiten und vagen Ängste fanden in einer solchen „bösen Pflanze“ einen konkreten Fokus. Mitte des 19. Jahrhunderts war die Saat-Wucherblume von den Feldern wieder verschwunden. Heute steht die wunderschöne, goldgelb blühende Chrysanthemenart unter Naturschutz, so selten ist sie geworden. 3
    Zwei weitere Pflanzen, die eine hysterische Reaktion hervorriefen, sind die aus den Anden stammenden Knopfkräuter ( Galinsoga parviflora und G. ciliata ). 1785 wurden sie in die botanischen Gärten von Paris und Madrid verpflanzt. Um 1800 kamen sie in den Botanischen Garten Berlin. 1805 flüchteten sie aus diesem, verwilderten und verbreiteten sich in Windseile auf Kartoffel- und Rübenäckern, in Hopfengärten und auf Gemüseland. Jedes Pflänzchen macht um die 100 000 Samen, die so leicht sind, dass Wind und Wasser, sie weitertragen. Schon nach sechs Wochen liefert die nächste Generation erneut Samen. Not und Kriegsschrecken wurden mit den neuen Unkräutern assoziiert, denn zu dieser Zeit stürmten Napoleons Armeen durch Europa. Da man mutmaßte, die Pflanze sei in den Futtersäcken seiner Kavallerie eingeschleppt worden, bekam sie den Namen

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