Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 2
einen ausgebildeten Schutzhund unumgänglichen Kurse besucht. Aber er war der einzige Hund, der auch die Fächer Lesen, Schreiben und Rechnen belegte.
Ralph war jetzt achtundzwanzig Jahre alt, aber er sah aus wie fünf. Manche schrieben diese Anomalität seiner Mutation zu. Andere behaupteten, die Wissenschaftler hätten ein lebensverlängerndes Elixier perfektioniert und ihm und seinen Geschwistern verabreicht. Hätte die Explosion die Aufzeichnungen nicht vernichtet, stünde es der Welt jetzt zur Verfügung. (Mehr darüber in Ein kurzer Fall von Langlebigkeit, noch nicht erschienen.)
Ralphs Existenz war viele Jahre vor allen Menschen geheimgehalten worden, von ein paar Polizisten und Beamten, die sich zum Schweigen verpflichtet hatten, einmal abgesehen. Man war der Meinung gewesen, seine Detektivarbeit wäre beeinträchtigt worden, hätte die Öffentlichkeit von seiner Existenz gewußt. Doch erst kürzlich hatte sein Fall aufgrund von Ralphs eigener Handlungsweise die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt. Des Daseins eines bloßen Polizeihundes überdrüssig, hatte er stolz und ehrgeizig den Abschied eingereicht, um Privatdetektiv zu werden. Sein Bemühen um eine Lizenz hatte natürlich zu einem Aufruhr geführt. Die Berichterstatter der Massenmedien waren in Schwärmen, Herden und Scharen über Hamburg hergefallen. Man hatte sogar eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht gegen ihn erhoben, doch solange das Urteil noch nicht gesprochen war, konnte Ralph von Wau Wau seinem erwählten Beruf nachgehen. (Die Lösung dieses berühmten Falles können Sie nachlesen in Küpper, der krachende Kupferstecher; noch nicht erschienen.)
Aber ob er sich nun im Besitz der Hamburger Polizei befand oder nicht, er war noch immer von den Menschen abhängig. Daher seine Suche nach einem Wohnungsgenossen und Partner.
Ich erzählte ihm etwas über mich. Er hörte ruhig zu und sagte dann: »Mir gefällt Ihr Geruch, Kumpel. Er ist ehrlich und nicht kondensiert. Mir würde es gefallen, wenn Sie bei mir einziehen würden.«
»Ich wäre erfreut«, sagte ich. »Doch da ist nur ein Schlafzimmer…«
»Es gehört Ihnen«, entgegnete er. »Meine Bedürfnisse sind spartanisch. Oder sollte ich lieber hündisch sagen? Wie Sie festgestellt haben, wurde das andere Schlafzimmer zu einem Labor umgebaut. Doch ich schlafe trotzdem darin, auf ein paar Decken unter einem Tisch. Sie können sich alle Freiheiten nehmen, die Sie brauchen, so viele Frauen mitbringen, wie Sie wollen, solange Sie nicht zu viel Lärm machen. Eins sollten wir aber sofort klarstellen: Ich bin hier der Seniorpartner. Wenn es Ihrem menschlichen Chauvinismus abträglich ist, brauchen wir gar nicht erst anzufangen, Amigo.«
»Ich sehe keinen Anlaß für Spannungen«, erwiderte ich und stand auf, um zu Ralph hinüberzugehen und ihm die Hand zu reichen. Leider hatte ich vergessen, daß die Stampfert noch auf meinem Schoß saß. Sie knallte mit dem Hintern auf den Boden und schrie vor Schmerz und Empörung. Es war, ich gestehe es ein, eine dumme – nun, zumindest eine unkluge – Handlung. Fluchend eilte sie zur Tür. Ralph musterte meine ausgestreckte Hand und sagte: »Das schnallen Sie besser direkt, Kumpel. Ich gebe kein Pfötchen und mache kein Männchen.«
Ich ließ die Hand sinken. »Natürlich«, sagte ich.
Die Tür öffnete sich. Ich drehte mich um und sah die Stampfert hinausgehen. Sie rieb sich noch immer das Hinterteil.
»Auf Wiedersehen«, sagte ich.
»Nicht, wenn ich es verhindern kann, du Grobian«, sagte sie.
»Sie ist immer so schnell beleidigt«, sagte ich zu Ralph.
Ich ging ein paar Minuten später, um meine Sachen aus dem Hotel zu holen. Als ich mit den Koffern in den Händen wieder durch seine Tür trat, verharrte ich plötzlich. Ralph saß auf dem Sofa; seine Augen leuchteten, die große rote Zunge hing ihm aus dem Maul, und sein Atem ging in tiefen, schweren Zügen. Ihm gegenüber saß eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen hatte. Offenbar hatte sich ihretwegen seine Laune entscheidend gebessert, denn er sprach mich nun ganz anders an.
»Kommen Sie herein, mein lieber Weißstein«, sagte er. »Ihr erster Fall als mein Kollege steht kurz bevor.«
3. Kapitel
DIE DARLEGUNG DES FALLES
Ein Optimist ist jemand, der Erfahrungen ignoriert oder vergißt. Ich bin ein Optimist. Womit ich sagen will, daß ich mich augenblicklich in Lisa Scharlach verliebte. Als ich diese eindrucksvolle und doch zierliche Frau mit dem lockigen kastanienbraunen
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