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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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in die Falten eingegrabene Leben besser stolz vor sich hertragen. Sinnvoll erscheint, schmerzliche Begleiterscheinungen des Älterwerdens zu mildern, nicht aber, ohnehin vergebens, sie auslöschen zu wollen. Dies dennoch zu versuchen, macht das Individuum nur zum Vollstrecker der Moderne , die das immer Neue privilegiert. Wie die Kinder, so stehen auch die Älteren und Alten der modernen Befreiung und schnellen Bewegung letztlich im Wege. Leben die Kinder noch nicht, so die Älteren nicht mehr in der linearen Zeit der Moderne, alsogleichsam »außerhalb der Menschheit« (Simone de Beauvoir, Das Alter , 1970). Exterritoriale Räume sind daher auch für sie geschaffen worden, Altersheime, Pflegeheime, Seniorenresidenzen, bis hin zu komfortablen »Sun Cities«, Altersparadiesen hinter hohen Mauern etwa in Arizona, Texas, Florida. Es kann viel Klugheit darin liegen, die Räume fürs Älterwerden beizeiten für sich selbst bereitzustellen, sich in ältere Menschen und ihre Bedürfnisse frühzeitig einzufühlen, um sie besser zu verstehen und sich selbst zu fragen: In welchem Umfeld würde ich gerne alt werden, in Form eines eigenständigen und allenfalls ambulant betreuten Wohnens zu Hause; in der Obhut der Familie, die gegebenenfalls eine Pflegehilfe in Anspruch nimmt; in einer Wohngemeinschaft mit anderen in ähnlicher Lebenssituation; oder in einem Heim für alte Menschen, und in welchem genau? Und wie lassen sich die jeweiligen Voraussetzungen dafür rechtzeitig schaffen? Wem lässt sich nötigenfalls die Herausführung aus der Autonomie anvertrauen, zu deren Schwinden das Altwerden ohne jedes eigene Zutun führen kann?
    In vielerlei Hinsicht wird die Entwicklung vom Anfang des Lebens noch einmal durchlaufen, allerdings in umgekehrter Richtung. War die Kindheit der Prozess des Übergangs von der Fürsorge anderer zur Sorge für sich selbst, so ist das Alter nun der umgekehrte Übergang von der Sorge für sich zur Fürsorge anderer, auf die das Selbst existenziell angewiesen ist. Zentral ist erneut die »Mobilität«, die Bewegungsfähigkeit, die körperliche Verfügung über sich selbst; anders als bei der anfänglichen triumphalen Erfahrung, sich aufzurichten und aufrecht zu gehen, selbstständig den eigenen Ort verändern und so unabhängig werden zu können, wird der ältere Mensch nun jedoch schmerzlich gebeugt, eine Ortsveränderung kann er nicht mehr beliebig vollziehen. Die Schwerkraft, gegen die er einst stolz aufbegehrt hat, zieht ihn unnachsichtig nieder. Die Kräfte, die in so reichem Maße selbstverständlich zur Verfügung standen, spürt er versiegen; alles, was leicht war, wird beschwerlich. Das Älterwerdenkennt Anstrengungen, von denen Jüngere sich nichts träumen lassen: einzelne Stufen zu überwinden, die zu anderen Zeiten einfach übersprungen worden sind; in eine Badewanne hineinund wieder aus ihr herauszusteigen; die immer komplexer werdende Bedienung technischer Geräte noch zu durchschauen. Zur Notwendigkeit wird der Umgang mit Schmerzen, und diese bedürfen neben den Möglichkeiten zur Intervention auch einer Fähigkeit des Selbst zur Integration, wie sie im chronischen Fall ohnehin unverzichtbar ist.
    Am besten wäre wohl, das älter werdende Leben nicht noch einmal zu verpflanzen, sondern in seinen Gewohnheiten an Ort und Stelle zu belassen. Denn von Bedeutung für die Lebenskunst beim Älterwerden ist, mehr als je zuvor, die Einrichtung von Gewohnheiten , in denen das Leben verweilen kann. Die Tatsache, dass die Moderne gewohnheitsfeindlich ist, trifft ältere Menschen in besonderem Maße, denn auf Gewohnheiten sind sie existenziell angewiesen, um nicht unentwegt mühsame Entscheidungen treffen zu müssen. Ihr Leben kann sich nur einrichten, wenn Geborgenheit durch Gewohnheiten entsteht, die in ihrer regelmäßigen Wiederkehr Ausdruck eines Lebens in zyklischer Zeit sind. Die innige Verflochtenheit von Gewohnheit und Wohnung prägt nun fast vollständig den Raum, der bewohnt wird und an dem das Wesentliche nicht die »vier Wände« sind, sondern eben die Gewohnheiten, die sich in diesem Umfeld entfalten. Jeder Wechsel einer gewohnten Umgebung, in der das Leben lange verbracht worden ist, jeder Verlust eines persönlichen Umgangs, jede Auflösung einer Beziehung entwurzelt die Menschen, und so käme es darauf an, gemeinsam mit ihnen erneut am Netz der Gewohnheiten zu stricken, es zu hegen und zu pflegen.
    Neben allen Beschwernissen ermöglicht jedoch auch das Älterwerden noch eine

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