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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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schöne Leben ( kalōs zēn ) wie um das schöne Sterben ( kalōs apothnēskein )«, so Epikur im Brief an Menoikeus . Das Denken an den Tod, die Befassung mit ihm, die Vorbereitung auf ihn zeichnet in dieser Sicht das Menschsein aus, das ohne Bewusstsein des Todes animalisch bliebe. Erneut geht es um Selbstmächtigkeit und Selbstgestaltung, aber ein letztes Mal ist das Gestalten nicht so sehr ein Tun, eher ein Lassen. Der Prozess des Sterbens ist vor allem eine Frage der passiven Wahl : den Tod ohne Widerstand geschehen zu lassen, wie er nun mal geschieht. Sorge lässt sich vielleicht noch tragen für die Bedingungen, die bei der Begegnung mit dem absolut Abgründigen, als das der Tod erscheint, bejahenswert und in diesem Sinne schön sein können. Denn wenn nichts mehr bleibt, wenn »nichts mehr zu machen ist«, bleibt immer noch die Lebenskunst: sich um sich zu sorgen und palliativ (von lateinisch pallium , Mantel) umsorgt zu werden von anderen; die Rahmenbedingungen zu gestalten oder sie gestaltet zu bekommen, die äußerlich (Gestaltung des Raumes, Einteilung der Zeit) der innerlichen Ruhe und Gelassenheit förderlich sind; das Wohnen in Gewohnheiten bis zuletzt zu ermöglichen, um möglichst keine Entwurzelung durch einen brüsken Ortswechsel mehr erleben zu müssen; aus diesem Grund vielleicht Verzicht zu leisten auf letzte Therapien und Eingriffe im Krankenhaus; und nicht zuletzt festzulegen, zu welchen Menschen welche Nähe oder Distanz angemessen ist. Berührung ist das, was bleibt, wenn nicht mehr viel zu sagen ist: Schon die unscheinbarsteBerührung durch eine Hand, die über den Handrücken streicht, die Arme oder Schultern anfasst, an der Wange oder auf der Stirn liegt, kann für den Sterbenden eine Wohltat sein; unendlich tröstlich wäre vielleicht der Arm, in dem der Kopf ruhen kann, überhaupt im Arm eines anderen für immer einzuschlafen. Den Zeitpunkt seines Todes vermag der Sterbende zu erahnen oder gar auf offene oder verschwiegene Weise festzulegen, keine Aktivität, sondern eine innere Verabredung des Selbst mit sich selbst, wie sie von denen, die Sterbeprozesse miterleben, nicht selten zu beobachten ist. Wenn das Umfeld des Sterbens zu gestalten ist, bleiben nur wenige, die ihrem Leben aktiv ein Ende setzen wollen.
    Und doch ist eine Option der Lebenskunst auch der Tod aufgrund eigener Wahl, etwa der passive Akt einer Selbsttötung, wie ihn der norwegische Abenteurer Thor Heyerdahl 2002 im Alter von 87 Jahren praktizierte: Er nahm keine Nahrung, kein Wasser, keine Medikamente mehr zu sich, nachdem bei ihm Krebs diagnostiziert worden war, und starb auf diese Weise in kurzer Zeit in seinem Haus. Über passive Wahl und passiven Akt hinaus stellt sich sodann die Frage der Selbsttötung aufgrund aktiver Wahl : Diese Frage gilt es offensiv aufzunehmen, statt sie, ohnehin unwirksam, mit »Verboten« und Tabuisierungen abzuweisen. Muß nicht nach der Legitimation eines solchen Sterbens gefragt werden? Die Frage ist theoretisch. Praktisch ist zuzugeben: Ja, grundsätzlich ist dies eine mögliche Wahl, und es handelt sich um eine Selbsttötung, nicht um »Selbstmord«. Zu bedenken wäre allenfalls: Die Freiheit der möglichen Befreiung vom Leben könnte eingeschränkt sein, etwa aufgrund perspektivischer Täuschung, die den Blick auf das Leben verzerrt, es mal schwarz färbt und mal rosa wie bei Liebeskummer und Liebeseuphorie. So perspektivisch wie die Erfahrung von Sinn erscheint auch die der Sinnlosigkeit: Darauf eine ultimative Wahl zu gründen, ist möglich, aber nicht plausibel; es birgt den Charakter einer Willkür in sich, über die eine angebliche Ausweglosigkeit nicht hinwegtäuschenkann. Sinnvoll erscheint ein Freitod letztlich nur als Antwort auf eine Unausweichlichkeit, bei unheilbarer Krankheit, bei unerträglichem Terror. Nie nur spontan, nur nach reiflicher Überlegung: Dazu rät die Erfahrung derer, die durch Situationen hindurchgegangen sind, in denen sie den Tod für die einzige Lösung hielten, dies jedoch rückblickend als kurzschlüssig bewerten, froh, die letzte Konsequenz nicht gezogen zu haben. Die Rücksicht auf sich selbst, im selben Maße die Rücksicht auf andere, die durch den Tod des Selbst in eine üble Lage, sei es seelisch oder materiell, geraten können, erscheint als sinnvolles Kriterium für die zu treffende Wahl – sollte nicht gerade dies die Absicht sein: andere zu verletzen, sie für lange Zeit zu zeichnen, sie zur Hermeneutik des vollzogenen Todes zu nötigen,

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