Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
Prioritäten und Werten Platz machen.
Im Folgenden gebe ich einen Überblick über den Aufbau des Buches: Das erste Kapitel stellt das Phänomen Angst in einen größeren Zusammenhang. Informationen über das Gefühl Angst, seine Entstehung und seine Inhalte schaffen Abstand und helfen zu erkennen, dass auch andere Menschen Ängste haben. Angst ist ein allgemein menschliches und für die Entwicklung des Einzelnen notwendiges Gefühl. Jeder neue Entwicklungsschritt wird von Aufregung und Angst begleitet, mal dominiert mehr das eine, mal mehr das andere Gefühl. Jede neue Lebensphase bedeutet, einen Schritt ins Unbekannte zu wagen. Aufgeregtheit belebt, während Angst lähmt. Es gibt Menschen, die sich ganz in den Klauen ihrer Angst fühlen, als gäbe es gar keinen Unterschied zwischen ihnen und der Angst. Sie sind mit (nur) einem Teil ihrer Persönlichkeit identifiziert. Für sie ist es wichtig zu erkennen, dass sie in einem anderen Kontext auch ganz andere Aspekte ihrer Persönlichkeit mobilisieren können. Meine Übungen und Überlegungen wollen diejenigen ermutigen, einen notwendigen neuen Schritt zu wagen, die sich oft nicht einmischen, weil Angst sie sprachlos macht. Denn die Welt soll nicht nur denen überlassen werden, die am anderen Ende der Skala zu viel Waghalsigkeit besitzen.
Das zweite Kapitel widmet sich dem Weltbild des Yoga. Yoga wird oft als Körperübungsprogramm gesehen und verstanden. Dies ist jedoch nur ein kleiner Ausschnitt. Denkgewohnheiten zu überprüfen und innere Haltungen bewusst zu pflegen, ist ein ebenso wichtiger Teil des yogischen Systems. Angst spielt sich wesentlich auch im Kopf ab. Sie ist eine Vorstellung, die großen Einfluss auf bestimmte Zentren im Gehirn hat, die die Hormonproduktion beeinflussen und dadurch die körperlichen Begleiterscheinungen wie Schweißbildung, Atemnot, Magen- und Darmprobleme usw. auslösen. Gerade diese so offensichtlichen psychosomatischen und somatopsychischen Zusammenhänge lassen Yoga hilfreich und geeignet für die Bewältigung von Lebensängsten erscheinen. Die Yogis sehen die körperlichen, seelischen und geistigen Vorgänge als einen einheitlichen Prozess an, bei dem die Aufmerksamkeit mal mehr auf diesem und dann auf jenem Aspekt ruht. Die mögliche Frage, ob die Seele auf den Körper oder der Körper auf die Seele wirkt, ob also zuerst die Angstvorstellung da ist, die dann die körperlichen Symptome auslöst, oder ob umgekehrt die körperlichen Syptome die Angstgedanken auslösen, diese Frage würden dieYogis so beantworten: Es gibt kein Vorher und Nachher, weil Körper, Seele und Geist immer eine Einheit sind.
In dem Kapitel über Yoga werden philosophische Betrachtungen dargestellt, die für das Thema Angst interessante Denkanstöße geben können. Dazwischen gibt es immer wieder Übungen, die auf die Angst von körperlicher Seite aus eine Antwort geben.
Da Angst sich ethymologisch von »Enge« ableitet, geht es im dritten Kapitel um Weite und Lösungen, sowohl körperliche wie emotionale und gedankliche. Von dem Atomphysiker Hans-Peter Dürr stammt der Satz: »Wenn ein System zu starr und unflexibel ist, muss mehr Freiraum gegeben werden und mehr Luft zugelassen werden.« 1 Das trifft sowohl auf materielle als auch auf geistige Systeme zu. In diesem Teil geht es also um Loslassen und Lösungen, damit Platz geschaffen werden kann für Neues: für etwas, das wünschenswerter ist als Angst. Dies leitet über zur Frage des vierten Kapitels: Was fehlt dem Ängstlichen als Ausgleich? Angst wird verstanden als Einseitigkeit, für die der Gegenpol fehlt. Braucht es, um zu einer gesunden Mitte finden zu können, mehr Mut und Power, mehr Selbstbewusstsein oder mehr Vertrauen in andere Menschen oder gar Vertrauen in eine übergeordnete Macht, nennen wir sie Schicksal oder Gott?
Last but not least wird im letzten Kapitel die Frage untersucht, ob Angst – wie jedes Symptom – auch einen Sinn hat. Der Sinn einer Angst vor Glatteis ist offensichtlich: Sie verweist auf einen Handlungsbedarf: ein zukünftiges Gehen oder Autofahren gefahrenfreier zu machen. Möglicherweise trifft dies auch auf andere Ängste zu: Sie rufen dazu auf, die Zukunft in die eigene Hand zu nehmen. In der Psychotherapie spricht man von »Reframing«, wenn eine zunächst störende Eigenschaft durch einen anderen Blickwinkel, durch einen anderen Rahmen, in einem neuen Licht erscheint. Die östliche Philosophie ist sich mit der westlichen darin einig, dass der Inhalt unseres
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