Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
ideale (förderliche, zweckdienliche, adäquate) Kommunikationsverhalten aus den Besonderheiten der Gesamtsituation, ihrer Geschichte und aus dem Sinngehalt, den ich dieser Situation beilege, abzuleiten. Nicht jede Situation fordert zum «aktiven Zuhören» heraus, auch eine authentische Ich-Botschaft kann durchaus «fehl am Platze» sein. Und es gibt Situationen, in denen «Metakommunikation» alles noch schlimmer macht. – Die Fähigkeit, die adäquate Kommunikation aus dem Charakter der gesamten Situation abzuleiten, braucht andere Ausbildungsformen als das klassische Kommunikationstraining.
2. Nicht nur in situativer, sondern auch in personaler Hinsicht scheint eine Differenzierung erforderlich. In den Kommunikationskursen der ersten Jahre hatten wir «Trainer» in unserem Marschgepäck ein Sortiment von Theorien, Übungen und Verhaltensempfehlungen, von denen wir mehr oder minder annahmen, sie wären für alle Menschen heilsam und förderlich. So ging es etwa darum, dem Gesprächspartner durch «aktives» Zuhören» einfühlsam in seine subjektive Welt zu folgen und zu lernen, gefühlsmäßige Mitteilungen zwischen den Zeilen herauszuspüren. Oder es ging darum, die eigene Innenwelt deutlicher zu spüren und in klare Äußerungen («Ich-Botschaften») zu übersetzen, dabei auch etwas von der Selbstoffenbarungsangst zu überwinden, die uns gewöhnlich «Fassaden» errichten lässt, hinter denen sich die vermeintlich unansehnlichen Teile unseres Selbst verbergen. So weit, so gut – tatsächlich ist eine solche kommunikative Basiskompetenz für alle Menschen unseres Kulturkreises wohl wünschenswert und für viele dringlich zu erwerben. Mit der Zeit haben wir aber auch gemerkt, dass nicht für jede Persönlichkeit die gleichen Empfehlungen und Übungen vordringlich waren; im Gegenteil schienen die einen zuweilen bereits allzu viel von dem zu besitzen, was die anderen dringend brauchten! So waren wir gelegentlich, wie im Einzelnen noch zu zeigen sein wird, der Gefahr erlegen, das «Richtige» den «falschen» Leuten beizubringen. Wenn es um Fähigkeiten geht, die den Kern der Persönlichkeit berühren, erweist es sich als notwendig, von der Standard-Schulung abzurücken und «einen Blick» für die einzelne Person zu bekommen: Für ihre typische Art zu reagieren und mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Dabei zeigen sich dann bestimmte Potenziale und «Stärken», aber auch gewisse Einschränkungen und innere Festlegungen («Schwächen»), zu deren Überwindung es von Person zu Person ganz unterschiedlicher Anstöße bedarf.
Genau von diesen Unterschieden handelt das vorliegende Buch. Ursprünglich hatte ich vor, beide Arbeitsschritte – den situativen und den persönlichkeits-differenziellen – in einem zu vollziehen. Aber dann erwies sich der Letztere als so inhaltsreich, dass er eine Publikation für sich nahelegte.
Gegenüber Band 1 erweitert sich nun das Blickfeld. Dort stand das großtuerische Imponiergehabe, das Verbergen von Schwächen und Blößen hinter einer Fassade scheinbarer Vollkommenheit und Unangreifbarkeit im Mittelpunkt der Betrachtung. Dieser «Stil» erweist sich als ein (wenn auch in dieser Gesellschaft, besonders bei Männern, häufiger) Spezialfall, als einer von insgesamt acht verschiedenen Stilen der Kontaktgestaltung. Ihre Darstellung (Kap. III) bildet das Herzstück dieses zweiten Bandes [1] :
Auch der Begriff «Fassade» unterliegt jetzt einem neuen Verständnis bzw. erweist sich überhaupt als ungeeignet. Er lässt nämlich die Vorstellung entstehen, es würde ein glattes Schild nach außen gehalten werden, um das Dahinterliegende, Eigentliche und Echte zu verbergen, kurz: um sich selbst, wie man «wirklich» ist, nicht zu zeigen. Zwar trifft es zu, dass jede Art und Weise, sich «außenseitig» zu geben, mit einer «Innenseite» korrespondiert, die nicht gleich ins Auge fällt und auch für den Betreffenden selbst nur mehr oder minder spürbar ist. Aber diese Außenseite des Verhaltens stellt eine sehr individuelle biografische Entwicklungsleistung dar und ist, statt mit einer Fassade, eher mit einer kunstvoll geformten Maske vergleichbar, welche die Züge des Dahinterliegenden erahnen lässt. Sie gehört ebenso zum Individuum wie die dahinter gestauten oder betäubten Gefühle, Wünsche und Ängste. Ihre Entwicklung war nötig, um im Zusammenleben mit den wichtigsten Menschen der ersten Jahre den eigenen Platz zu behaupten und sich vor Verletzungen zu schützen. Aus
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