Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)
dieser Sicht heraus erscheint die «Außenseite» des Verhaltens nicht als eine unechte Hässlichkeit, die schnellstmöglich abzubauen ist, sondern als schätzenswerter Teil der individuellen Persönlichkeit; und insofern auch «echt», als sie, wie eine zerfurchte Gesichtshaut, von der biografischen Geschichte des Menschen ein wahres Zeugnis ablegt. Der Appell kann somit nicht lauten «Weg mit der Fassade!», sondern: Entwickle eine Bewusstheit über deine Art und Weise, dich «außenseitig» zu geben und dadurch den Kontakt zu gestalten, und lerne zu verstehen, was dieser Stil dir ermöglicht, erspart und verbaut . Identifiziere dich nicht einseitig mit deinen Außenmustern – sie sind wichtig und gehören zu dir, aber «dahinter» ist noch mehr, ein inneres Geschehen, das dich auch ausmacht und zu dem du den Kontakt nicht abreißen lassen bzw. wiederherstellen solltest. Es ist nämlich dieser abgerissene Kontakt, der uns von uns selbst entfremdet und zum Automaten reduziert, der wie ein einmal programmierter Computer ohne Wahlfreiheit dazu verdammt ist, auf denselben «Input» immer wieder den gleichen «Output» zu liefern.
Bei der Darstellung der acht Kommunikationsstile werde ich mich in regelmäßiger Wiederkehr dreier gedanklicher Werkzeuge bedienen; es handelt sich dabei um folgende Strukturmodelle (s. S.18).
Diese drei Modelle sind von so allgemeiner Bedeutung für die Orientierung im zwischenmenschlichen Bereich, dass ich sie im Vorwege darstellen möchte (Kap. II). Dies kann beim Nachrichten-Quadrat in aller Kürze geschehen, da ich es in «Miteinander reden» als Grundmodell für eine Allgemeine Kommunikationspsychologie eingeführt habe. Ich werde es hier mit der etwas anderen Zielsetzung verwenden, die typische Grundbotschaft jedes der acht Stile in ihren vier Aspekten (Sachinhalt, Selbstkundgabe, Beziehungshinweis und Appell) herauszuarbeiten. Diese Grundbotschaft muss niemals wörtlich ausgesprochen werden, und doch geht sie in vernehmbarer Weise von einem Menschen aus, der diesen Stil verwirklicht, und erreicht den Partner über- oder unterschwellig.
Mit dem Teufelskreis-Schema verbindet sich die Erkenntnis, dass kommunikative Eigentümlichkeiten eines Menschen nicht nur Ausdruck seiner Persönlichkeit und Befindlichkeit sind, sondern auch innerhalb einer Beziehungsdynamik wiederholt entfacht und regelhaft eingespurt werden. Indem ich die Aufmerksamkeit auf diese Beziehungsdynamik richte, verfolge ich das Anliegen, individuelle und systemische Ansätze miteinander zu verbinden, und verweise damit auf die Zusammengehörigkeit von Persönlichkeits- und Beziehungsarbeit. Zur praktischen Anwendungsweise dieses Schemas im Rahmen der Gesprächshilfe siehe Thomann und Schulz von Thun (1988).
Im Werte- und Entwicklungsquadrat schließlich kommt die Auffassung zum Ausdruck, dass Persönlichkeitswerte und kommunikative Tugenden dialektisch strukturiert sind, d.h. in ausgehaltener Spannung zu einem (genau zu bestimmenden) positiven Gegen-Wert sein müssen, ohne den sie zu einem Unwert verkommen würden. So wirkt sich die Fähigkeit, sein Gegenüber zu akzeptieren , auf die Dauer nur dann konstruktiv für die Beziehung aus, wenn sie gepaart ist mit der Fähigkeit zu konfrontieren ; Akzeptation ohne Konfrontation hingegen wird zur konfliktscheuen Harmonisierung und gefährdet die Beziehung ebenso wie eine fortwährende Konfrontation, die nicht von akzeptierender Haltung begleitet ist und dann zur vernichtenden Entwertung missrät. Weiterhin wird es sich erweisen, dass sich Persönlichkeitsrückstände, «Charakterschwächen» und persönliche Unarten als einseitige, überwertig gelebte «Tugendhälften» auffassen lassen und damit eine Entwicklungsrichtung definieren, die nicht auf das «Ausmerzen», sondern auf die Eroberung der jeweils anderen Hälfte zielt. Indem ich das Wertequadrat von Helwig (1967) aufgreife, für Vorgänge der zwischenmenschlichen Kommunikation und Persönlichkeitsbildung nutzbar mache und so zum Entwicklungsquadrat ausbaue, mache ich den Versuch einer «psychologischen Tugendlehre». Für jeden der acht Stile wird es sich erweisen, dass darin bestimmte und für das Zusammenleben der Menschen unverzichtbare Qualitäten verwirklicht sind – mit der gleichzeitigen Gefahr, dass diese nicht hinreichend durch die entsprechenden Gegen-Qualitäten ausbalanciert sind und dann zur Belastung werden können.
Für die psychologische Erwachsenenbildung verbindet sich mit diesen Gedanken die
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