Miteinander reden von A bis Z
Anlauf, siehe Beispiel oben). Der implizite Appell birgt Gefahren und Chancen.
Einerseits
ist er anfällig für → Missverständnisse und Störungen in der Kommunikation. Er kann beispielsweise leicht überhört werden. Möglicherweise empfängt der Mitarbeiter lediglich die Information, dass es eine neue Eingangstür und auch einen neuen Schlüssel gibt, der im Bedarfsfall für ihn verfügbar ist, und bekommt gar nicht mit, dass die Führungskraft ihn zu mehr Engagement bewegen möchte. Auch können verdeckte Appelle leicht einen Manipulationsverdacht ( → Manipulation ) und damit → Reaktanz auslösen («Wenn er erwartet, dass ich hier auch noch die Wochenenden verbringe, dann soll er das wenigstens offen und ehrlich sagen!»).
Andererseits
haben verdeckte Appelle zuweilen auch Vorteile im Miteinander. Als Vorteil kann empfunden werden, dass der Empfänger den Hinweis «zwischen den Zeilen» lesen und
von sich aus
beherzigen kann, ohne nach außen als Kritisierter oder als bloß gehorsamer Befehlsempfänger dazustehen. Das Unausgesprochene, lediglich Angedeutete ermöglicht dem Empfänger eher, sein Gesicht zu wahren. Das ist insbesondere in kollektivistischen Kulturen ( → Interkulturelle Kommunikation ) bedeutsam. Auch das Autonomiebestreben ( → Autonomie ) des Empfängers kann somit mehr zur Geltung kommen, da der implizite Appell ihm zunächst die Wahl und Freiheit lässt, selbst zu entscheiden. Insofern gehört der verdeckte Appell, sensibel gehandhabt und nicht als «Wink mit dem Zaunpfahl» verabreicht, mitunter zur
Kunst der indirekten Kommunikation
.
Ob ein Appell Wirkung zeigt, hängt meist auch von der Art der Kommunikation auf den anderen drei Seiten des Kommunikationsquadrates ab. Auf der Sachseite: Drückt sich der Sender verständlich aus ( → Hamburger Verständlichkeitsmodell )? Auf der Selbstkundgabeseite: Wird er als Mensch auf glaubhafte Art sichtbar? Und auf der Beziehungsseite: Bietet er eine akzeptable Du-Botschaft und Beziehungsdefinition an?
Eine spezielle Form von Appellen sind die → paradoxen Appelle , bei denen der Sender dem Empfänger das Gegenteil dessen aufgibt, was er erreichen möchte.
Literatur
Miteinander reden 1 , S. 32 f., 242 ff. (S. 29 f., 209 ff.)
Schulz von Thun, F.: Miteinander reden: Fragen und Antworten, S. 33 ff., 41 ff.
Stahl, E.: Lob der Intransparenz. In: Schulz von Thun, F./Kumbier, D.: Impulse für Kommunikation im Alltag.
Authentizität
Authentizität ist die Übereinstimmung von innerer Befindlichkeit und äußerem Gebaren. Die Person gibt sich so, wie sie ist, und macht keinen Versuch, nach außen hin anders (idealer, unberührbarer, vorteilhafter, taktischer) zu erscheinen oder als Mensch hinter einer Fassade verborgen zu bleiben. Etwa gleichbedeutend ist der von Carl Rogers geprägte Begriff der
Kongruenz
( → Äußerung ), der die Übereinstimmung zwischen Innerem Erleben, Bewusstsein und Kommunikation meint.
Unter dem Einfluss der → Humanistischen Psychologie wurde Authentizität zu einer werthaltigen menschlichen Qualität in der Kommunikationspsychologie, ebenso in der Gesellschaft. In der Presse und in der Öffentlichkeit wird es zum Beispiel sehr honoriert, wenn eine Politikerin, ein Politiker «authentisch» erscheint: Es macht sie (ihn) glaubwürdiger und sympathischer («menschlicher») zugleich.
In der Kommunikationspsychologie Schulz von Thuns setzte sich in den siebziger Jahren des 20 . Jahrhunderts die Erkenntnis durch, dass ein gut gemeintes Kommunikationstraining, welches ein «ideales» (wertschätzendes, tolerantes, aufgeschlossenes, empathisches) Verhalten einüben will, den wahrhaftigen inneren Menschen nicht übergehen darf. Andernfalls führt es zu einem uniformen Idealverhalten, einem «Kommunikativen Sonntagsanzug» ohne heilsame Wahrhaftigkeit. So wurde Authentizität zu einer Schlüsselqualität. Allerdings ist diese Qualität nicht moralisch definiert (man «sollte» wahrhaftig und aufrichtig sein, als sittliches Gebot), sondern psychologisch: Authentizität setzt die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung voraus (Was geht in mir vor? Wie ist mir ums Herz? Wofür stehe ich, wogegen wende ich mich?). Diese Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung lässt sich ermutigen (Steh zu dem, was dich ausmacht, auch wenn es nicht ideal ist!) und üben. Das Modell vom → Inneren Team kann helfen, der inneren Pluralität gewahr zu werden: Wer sich selbst versteht, kommuniziert besser.
Bei aller
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