Miteinander reden von A bis Z
das er zuvor anfertigen konnte. Jede Anliegenbearbeitung läuft anders, je nach Thema und Persönlichkeit des Ratsuchenden. Im Allgemeinen lassen sich jedoch vier Phasen unterscheiden:
1 . Phase: Der Ratsuchende berichtet anhand seines Bildes von seinem Anliegen. Sowohl der Leiter als auch die anderen Teilnehmer dürfen Verständnisfragen stellen, im Beispiel des Abteilungsleiters: «Wofür ist denn die Vernetzung der beiden Gruppen wichtig?» Die Erkundungsphase sollte nur so ausführlich sein wie nötig, um den Fokus für die weitere Bearbeitung zu ermitteln.
2 . Phase: Vertiefung, Konkretisierung und Verlebendigung des Anliegens mit Hilfe → erlebnisaktivierender Methoden . In dieser Phase soll das Anliegen im Raum lebendig erfahrbar werden, z.B. in der Arbeit mit zwei Stühlen, die für je eine Seite einer Ambivalenz stehen. Der Ratsuchende setzt sich nacheinander auf beide Stühle und spricht jeweils nur für eine Seite der Ambivalenz. Ziel einer solchen Erlebnisaktivierung ist es, die Selbstklärung des Ratsuchenden nicht nur kognitiv, sondern auch emotional und aktional zu unterstützen.
3 . Phase: Austausch in der Gruppe. Während die Gruppe in den ersten beiden Phasen nur bedingt und unter Anleitung beteiligt war, sind nun die Reaktionen der Teilnehmer auf das Erlebte gefragt: Welche Gedanken und Gefühle tauchen auf? Welche anderen Perspektiven auf das Anliegen könnte man noch einnehmen? Welche Rückmeldungen und Empfehlungen haben die Einzelnen parat? Wer kennt selbst eine ähnliche Situation?
4 . Phase: Theoretische Einordnung und Generalisierung. Oft werden bei der Bearbeitung des Anliegens Themen angesprochen, die von allgemeiner Bedeutung sind, beispielsweise Hierarchiekonflikte zwischen Chef und Mitarbeiter, Schwierigkeiten mit pubertierenden Kindern oder das Nähe-Distanz-Thema innerhalb von Paarbeziehungen. Dann bietet sich ein Kurzvortrag des Leiters an, denn durch die Relevanz des Themas sind die Teilnehmer optimal aufnahmebereit für entsprechende Inputs. Nicht immer schließt die Anliegenbearbeitung mit diesem Schritt ab, manchmal ist eine theoretische Betrachtung des Themas auch überflüssig oder unpassend.
Literatur
Schulz von Thun, F.: Praxisberatung in Gruppen.
Appell
Die Kommunikationspsychologie betrachtet jede Äußerung und Handlung auch unter dem Appell-Aspekt: Welche Wirkungsabsicht steckt darin? Was will der Sender beim Empfänger erreichen? Was soll der Empfänger tun, denken oder fühlen? Wenn die Führungskraft beispielsweise darauf hinweist: «Ach, Herr Meier, ich wollte Ihnen noch sagen, dass der Schlüssel für die neue Eingangstür jetzt da ist – falls Sie auch mal am Wochenende arbeiten müssen», so kann man sich hinsichtlich des Appells fragen, ob die Führungskraft vom Mitarbeiter mehr Arbeitseinsatz und Zusatzengagement erwartet, ob sie ihm signalisieren möchte, dass sie ihn für vertrauenswürdig hält, oder ob sie ihn bestmöglich informiert wissen will.
Der Versuch, Einfluss zu nehmen, kann mehr oder minder offen (explizit) oder verdeckt (implizit) sein. Bei einem offenen Appell äußert der Sender klar und deutlich, was er vom Empfänger möchte: «Herr Meyer, in Ihrer Position erwarte ich mehr Arbeitseinsatz von Ihnen, notfalls auch am Wochenende!» In vielen Situationen erleichtern offene Appelle die zielgerichtete Kommunikation. So weiß der Empfänger, woran er ist, und er erhält Gelegenheit, ebenfalls klar und deutlich dazu Stellung zu beziehen. Die kommunikationspsychologische Empfehlung lautet daher oftmals, einen offenen Appell auszusprechen (und dabei zwischen Wunsch, Bitte, Empfehlung oder Forderung zu differenzieren) anstelle einer Entwertung auf der Beziehungsebene («Nun stellen Sie sich mal nicht so an, keiner von uns hat eine 40 -Stunden-Woche!»). (s. Abb. 4 )
Abb. 4 :
Kommunikationsempfehlung: offener Appell und Selbstkundgabe statt Entwertung auf der Beziehungsebene.
Im Kommunikationstraining wird man zudem angeleitet, den offenen Appell nicht mit einer entwertenden Beziehungsbotschaft zu versehen (statt: «Kannst du nicht wenigstens einmal den Mülleimer runterbringen?» besser: «Könntest du den Müll runterbringen? Danke!»). Die Philosophie hinter dieser Empfehlung: Lieber heute der Wunsch als morgen der Vorwurf!
Häufig werden Appelle verdeckt auf den Weg gebracht, der Sender gibt dem Empfänger dann nur implizit zu verstehen, was er von ihm will, ohne dies offen zu benennen (wie unsere Führungskraft im ersten
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