Mithgar 11 - Die kalten Schatten
mit dem leeren Blick von seinem Helross holten. Wieder zwang man sie, die brennende Flüssigkeit zu trinken, dann bekam sie eine Mahlzeit. Benommen aß sie von dem faden dunklen Brot und der dünnen Schleimsuppe, rührte das unbekannte Fleisch jedoch nicht an. Angewidert sah sie zu, wie das schändliche Volk gierig sein Essen verschlang, alle bis auf den tumben Naudron, der schwerfällig und sabbernd den dünnen Haferbrei schluckte, den ihm ein Ghol mit dem Löffel einflößte. Und während sie im Lager dieser Unholde saß, wurde sie nur von einem verzweifelten Gedanken beherrscht: Galen, ach Galen, wo bist du?
Laurelin wurde mit einem Tritt geweckt und bekam die Flasche mit der brennenden Flüssigkeit gereicht. Ihr zerschundener Körper schrie vor Schmerz: der Arm eine Qual, die Gelenke heiß, alle Muskeln hart. Dieses Mal trank sie ohne Zwang, denn das üble Gebräu linderte die Folterqualen.
Schon machten sich die Ghola wieder zum Aufbruch bereit, und sie räumten Laurelin keine Ungestörtheit zur Verrichtung ihrer Bedürfnisse ein. Sie fühlte sich tief gedemütigt von den toten, schwarzen Augen.
Weiter ging es durch den Dusterschlund, ihr Ritt führte beständig nach Osten, doch immer noch bewegten sie sich in den nördlichen Ausläufern der Schlachtenhügel. Dieses Mal legten sie beinahe fünfunddreißig Meilen zurück, bevor sie ein Lager aufschlugen.
Laurelin konnte sich kaum noch rühren, als sie endlich anhielten, denn der unablässige Schmerz in ihrem Arm war schlimmer geworden und hatte an ihrer Lebenskraft gezehrt; und der Ritt auf dem Helross marterte Beine, Gesäß, Rücken und selbst die Füße in unbeschreiblicher Weise.
Dumpf aß sie ihr Mahl, ohne nachzudenken. Doch plötzlich spürte sie, wie ihr eine eisige Kälte ans Herz griff, und ohne es erklären zu können, wusste sie, dass das Böse sie aufs Neue anblickte: Sie drehte sich um und fand ihr Gefühl bestätigt, denn aus dem Gesicht des Naudrons funkelte wieder die reine Böswilligkeit.
»Challerain ist bis auf die Grundmauern niedergebrannt«, höhnte die Stimme. »Der erste und zweite Wall sind dem Sturmbock und meiner Horde erlegen. Aurion Rotaug und sein armseliges Häuflein ziehen sich weiter nach oben zurück, wo sie in der Falle sitzen wie Kaninchen.«
Große Furcht ließ Laurelins Brust heftig schlagen, doch auch Zorn brannte dort. »Wozu erzählst du mir das?«, fragte sie. »Glaubst du, du kannst mir mit deinen Worten allein Angst einjagen?«
Doch der Naudron antwortete nicht, denn seine Augen waren bereits wieder tot. Schmerzgepeinigt, mit einem beständig pulsierenden Stechen im Arm, fragte sich Laurelin, wie lange sie wohl noch aushalten konnte. Äußerlich jedoch ließ sie sich von ihren Qualen nichts anmerken, als die Kolonne aufs Neue nach Osten aufbrach, und in Gedanken suchte sie nach Möglichkeiten zur Flucht, doch es fielen ihr keine ein. Neun Meilen ritten sie durchs Schattenlicht, schließlich zwölf, immer auf die östlichen Ausläufer der Schlachtenhügel zu, nördlich des Weitimholz. Plötzlich machte sich Unruhe in der Kolonne breit. Laurelin reckte den Hals, und voraus, genau an der Grenze ihres Sehvermögens, sah sie… Elfen! Elfen auf Pferden! Ihr Herz machte einen hoffnungsvollen Satz. Rettung! Doch halt: Sie kamen nicht in ihre Richtung. Stattdessen ritten sie rasch auf eine Waldgrenze im Süden zu, und hinter ihnen jagte zu Fuß eine große Streitmacht des Madenvolks her, dessen raue Schreie über die Schneefläche gellten. »Wartet!«, rief Laurelin, doch ihre Stimme ging im freudigen Geheul der Ghola unter, die sich daran weideten, Elfen vor Rukha und Lökha ins Weitimholz fliehen zu sehen.
Als die Elfen in den winterlichen Wald verschwanden, stürzte Laurelins Herz in Verzweiflung, und Tränen liefen ihr übers Gesicht. Innerlich jedoch war sie wütend auf sich: Lass ihnen nicht diese Genugtuung, dachte sie, und sie setzte sich im Sattel des Helrosses aufrecht hin und unterdrückte mühsam ihr Weinen, ehe die Ghola es sehen konnten. Und sie beobachtete, wie die erste Reihe der brüllenden Rukha und Lökha Hals über Kopf in den Wald stürzte, und aberhunderte hinter ihnen drein. Die Gholen-Kolonne setzte ihren Weg nach Osten fort, vor bei an der Streitmacht des Madenvolks, die ins Weitimholz eindrang. Ein Stück voraus sah Laurelin einen zweiten Haufen von Ghola, die ruhig auf ihren Helrössern saßen und beobachteten, wie die Truppe in den Wald verschwand.
Die beiden Gholen-Kolonnen trafen und
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