Mithgar 12 - Der schwaerzeste Tag
Sims hier ist fest und trägt euer ganzes Gewicht…
Die Zeit verrann wie der Sand, der die Wand der Schlucht hinabrieselte: Augenblicke dehnten sich ganz langsam zu Minuten und Minuten zu Stunden. Und noch immer kämpfte sich der Stoßtrupp nach oben.
Und während sich Tuck emporquälte, lief ihm salziger Schweiß über die Stirn und brannten ihm in den Augen, und er war am ganzen Körper schweißnass. Der raue, stoßweise Atem drang durch zusammengebissene Zähne, und seine Arme und Beine zitterten vor Überanstrengung. Sein Magen fühlte sich an, als wäre er zusammengeknotet, denn der Stein bröselte und gab unter ihm nach, und der Boden der Schlucht verlor sich neunzig oder hundert Fuß unter ihm in der Finsternis. Das Herz hämmerte ihm in der Brust, teils vor Anstrengung, teils vor Anspannung und teils vor Angst. Er wollte nichts weiter als sich ausruhen, aber selbst stehen zu bleiben brachte keine Erleichterung. Und so kämpfte sich der Stoßtrupp weiter den langen, mühevollen Weg über den zerfallenden Fels nach oben, bis der Rand der Kluft nur noch wenige Ellen über Bregas Kopf lag.
Halt! Der Befehl pflanzte sich über die Reihe der Kletterer fort. Brega war an einen toten Punkt gelangt: Genau unterhalb des Randes war der Fels am allermürbsten. Lange suchte der Zwerg, vorsichtig wich er nach rechts und links aus, und das Geröll rutschte in die Tiefe. Flandrena, genau unter Brega, klammerte sich an die Felswand, während Igon auf einem schmalen Sims stand. Alle unterhalb des Prinzen hielten sich an Höckern und Platten fest und standen auf Vorsprüngen oder in Spalten.
Schließlich sagte Brega: »Kruk! Hier ist es überall mürber denn je, und vielleicht trägt es mein Gewicht nicht, aber ich werde es hier an dieser Stelle versuchen, denn hier dürfte es noch am besten halten. Möge mich der Geist des ersten Durek leiten.« Und damit stieg Brega in den brüchigen Fels, tastend, prüfend, und langsam verlagerte er das Gewicht auf den bröckelnden Stein; Kiesel rasselten auf alle unter ihm herab, der Zwerg aber schob sich langsam nach oben dem Rand entgegen, der nur noch ein paar Fuß außerhalb seiner Reichweite lag.
Aufwärts kroch er, und unter seinem rechten Fuß gab ein Gesteinsbrocken nach und krachte in die Tiefe, und Brega drückte sich flach an die Wand und hielt sich mit beiden Händen und dem linken Fuß fest, während der rechte nach einem Ansatzpunkt suchte. Schließlich fand sein Stiefel eine Ritze, und Brega ruhte einen Moment aus, ehe er weitermachte.
Der Rand war fast in Reichweite.
Langsam streckten sich seine zitternden Finger der Kante entgegen, dann tastete sie bereits über den Rand, und er begann, sich nach oben zu ziehen.
In diesem Augenblick brach der Felssockel, auf dem er stand, mit einem scharfen Knacksen vollständig ab und stürzte nach unten, und der Zwerg hing nur noch an den Fingerspitzen der linken Hand. Ob es ihm aber gelungen wäre, sich zu halten, wird man nie erfahren, denn der fallende Felsbrocken stieß Flandrena aus der Wand; der Elf stürzte ab und das Seil löste mit einem Ruck Bregas Griff, und beide fielen inmitten eines Gesteinshagels in die Tiefe.
Prinz Igon war der Nächste in der Reihe, und er wappnete sich, als Flandrena und Brega samt Geröllmassen an ihm vorüberpurzelten. Das Seil zwischen Mensch und Elf spannte sich ruckartig, als Flandrena bis ans Ende abgesackt war, und die Erschütterung löste Igons Griff und riss ihn bis auf den Sims nach unten; dann kam auch Brega am Seilende an, und Igon wurde über den zerklüfteten Rand gezogen. Doch der junge Mann bekam eine Felsspalte zu fassen und hielt sich mit aller Kraft fest, die er aufbieten konnte, denn er wusste, wenn er fiel, waren alle neun dem Untergang geweiht.
Nun bekam Igon auch die andere Hand in den Spalt, sein linker Fuß fand einen Ansatzpunkt und dann sein rechter. Mit aufeinandergebissenen Zähnen hielt er sich fest und konzentrierte seine ganze Kraft darauf, in der Wand der Schlucht zu bleiben. Unter ihm pendelten benommen ein Zwerg und ein Elf, während die Wurrlinge zusahen, wie ihr Leben und das Schicksal ihres Unternehmens am seidenen Faden hingen, an der Kraft und am Mut eines hochgeborenen jungen Mannes. Und Igon hielt nicht nur durch, sondern zog sich langsam gegen das gesamte Gewicht von Brega und Flandrena wieder auf den Sims! Dort schaffte er es, sich aufzurichten; dann drehte er sich keuchend um, fasste das Seil und stützte sich mit dem Rücken an die Wand der
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