Mithgar 12 - Der schwaerzeste Tag
Schlucht.
Danner und Harven, die Flandrena am nächsten waren - der eine über ihm, der andere darunter -, begannen sich seitwärts zu dem bewusstlosen Elf hinzubewegen, und Gestein bröckelte ab und rieselte nach unten. Brega aber, der sich schnell wieder erholt hatte und hier einen Griff und dort einen Halt für die Zehen fand und so einen guten Teil der Last von Igon nahm, fuhr die beiden Wurrlinge an: »Nein, bewegt euch nicht über diesen mürben Fels. Geht zu der Route zurück, die ich geklettert bin. Ich helfe Flandrena. «
Jeden Zoll des Wegs prüfend, kletterte der Zwerg zu dem baumelnden Elf empor, doch ehe er dort eintraf, kam der Liankrieger wieder zu sich, fand selbst Halt in den Gesteinsschichten und nahm so die letzte Belastung von dem mittlerweile zitternden jungen Prinzen über ihm. »Elf Flandrena«, sagte Brega leise, aber voller Angst, »wie geht es Euch? Seid Ihr verletzt?«
»Nein, Drimm Brega«, antwortete der Lian. »Ein paar blaue Flecken vielleicht, aber gebrochen ist nichts.«
»Und wie geht es euch allen?«, fragte der Zwerg die Übrigen.
»Ich fühle mich, als hätte ich gerade ein Pferd hochgehoben«, erwiderte Igon leise, »aber ansonsten bin ich heil.«
»Auf mich sind nur Kiesel herabgeregnet«, flüsterte Danner, der sich inzwischen wieder auf dem Kletterpfad befand.
»Ja, auf mich auch«, ließ sich Harven leise vernehmen.
»Ich fürchte, mein Fuß könnte gebrochen sein«, stieß Tuck unter Schmerzen hervor. »Einer der größeren Brocken ist auf ihn gekracht.«
»Ich bin in Ordnung«, rief Rollo gedämpft nach oben, »und Dink und Patrel sagen, ihnen geht es auch gut.«
»Tuck, du wirst einfach durchhalten müssen, bis wir oben sind«, zischte Brega, »dann schau ich mir den Fuß mal an.«
Der Zwerg stieg von Neuem langsam in der Schlucht nach oben, und Flandrena kroch hinter ihm her, während alle anderen ihre Stellung in der brösligen Wand hielten. Nach einer kleinen Ewigkeit erreichte Brega wieder den Rand.
»Hmph«, brummte der Zwerg. »Der Fels, den ich mit meinem Absturz freigelegt habe, sieht mir stabiler aus.«
Nun begann Brega die letzten, entscheidenden Fuß zu klettern. Vorsichtig ging er zu Werke, prüfte jeden Griff und jeden Fußhalt. Und alle Augen waren gegen den fallenden Sand und die herabprasselnden Kiesel nach oben gerichtet; und plötzlich war der Zwerg den Blicken ent schwunden, da er über den Rand der Schlucht gekrochen war.
Jetzt kletterte Flandrena los, und sein Aufstieg ging rascher vonstatten, denn von oben zog Brega, auf festem Boden stehend, am Seil.
Und während der Elf emporstieg, rückte Prinz Igon ebenfalls vor, und ihm folgten alle anderen; Tuck kletterte trotz der unerträglichen Schmerzen in seinem linken Fuß, und jedes Mal, wenn der Wurrling den Fuß belastete, spürte er, wie etwas aneinanderrieb. Nun verschwanden auch Flandrena und schließlich Igon über den Rand, und da die drei - Zwerg, Elf und Mensch - alle am Seil zogen, gelangten die Wurrlinge geschwind in der Wand nach oben und über die Kante: Danner zuerst, Patrel am Schluss. Flandrena blickte zu den Kameraden auf, die sich um Tuck versammelt hatten. »Er scheint tatsächlich gebrochen zu sein«, sagte der Elf. »Mit Bestimmtheit kann ich es aber erst sagen, wenn wir den Stiefel ausgezogen haben. Doch wenn wir das tun, wird der Fuß anschwellen, deshalb halte ich es für das Beste, ihn dranzulassen. So oder so kann Tuck nicht weitergehen. Unser Aufstieg hat länger gedauert als geplant, und bis zum Sonnentod bleibt nicht einmal mehr eine Stunde - und wir haben noch viel zu erledigen. Ich glaube… nein, ich weiß, wir müssen Tuck zurücklassen.«
»Was?«, zischte Danner. »Das kann nicht dein Ernst sein. Wir dürfen ihn nicht zurücklassen, die Patrouillen -«
»Wir haben keine Wahl, Danner«, unterbrach ihn Brega. »Wir müssen weiter. Diese Mauer hinauf.« Der Zwerg deutete zu dem nahen Wall. »Das wird natürlich einfacher als die Kletterpartie in der Schlucht, denn der Wall hat Vorsprünge und ist stabil. Trotzdem ist ein Waeran mit gebrochenem Fuß nicht in der Lage, hinaufzusteigen.«
»Nein -«, setzte Danner zu widersprechen an, aber erneut wurde er unterbrochen.
»Er hat recht, Danner«, sagte Tuck und lächelte, obwohl ihn große Furcht überkam. »Sie haben beide recht. Auch wenn es keiner gesagt hat, es würde das Unternehmen maßlos gefährden, wenn ich versuchte, mitzukommen. Ihr müsst mich zurücklassen. Ihr müsst weitermachen. Und es kann
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