Mittagessen Nebensache
Privatklinik kann sie sich nicht leisten, und ins Krankenhaus
kommt sie erst, wenn sie an der Reihe ist.«
»So sagt dieser Narr von
Doktor. Sie sollte sich nur ihre Attacken besser einteilen, damit dieser Knabe
sie einmal während eines Anfalls zu Gesicht bekommt. Wir müssen uns da noch
etwas einfallen lassen... «
Offenbar kam ihr dieser Einfall
ein paar Tage später. Sie rief mich an, um mir zu sagen, daß sie Ruth wieder
über das Wochenende eingeladen habe. »Und jetzt habe ich auch eine Idee«,
verkündete sie. »Ich meine, wie sie ihren Blinddarm loswird.«
»Sehr schön. Aber ich bitte
dich inständig, diese Idee nicht in die Tat umzusetzen. Gesundheit ist ein
kostbares Gut!«
»Eben das versuche ich dir seit
einer Ewigkeit klarzumachen. Nein, ich will mich am Telefon nicht näher
auslassen, aber komm doch am Samstag herüber. Dann besprechen wir alles.«
Paul erzählte ich nichts davon,
um ihm keine Gelegenheit zu geben, seinen wohlbekannten Sermon zu zitieren: der
Pflichten gegenüber meiner Familie zu gedenken, mir meiner Würde als
verheiratete Frau bewußt zu sein und so weiter. Am Samstag fuhr ich also gegen
besseres Wissen zu Larry. Ruth war bereits da.
Ihr Anblick bestürzte mich. Wie
rasch doch ihr — dank Larrys skrupellosem Bemühen — so vorteilhaft verändertes
Äußeres dahinzuschwinden begann. Ruth gab sich lustlos und noch stiller als sonst,
ihre Gesichtsfarbe war gelblich blaß. Trotzdem versuchte sie, die Sache zu
bagatellisieren.
»Es ist wirklich dumm von mir.
Ich war immer kerngesund, darum mache ich jetzt wahrscheinlich viel zuviel Aufhebens davon.«
»Wieder einmal so eine Attacke
gehabt?«
»Nein, eigentlich nicht, aber
ich fühle mich nie richtig gesund. Das ist eine Plage für mich und meine
Umgebung, besonders aber für Miss Adams, die eine vollwertige Arbeitskraft
braucht.«
»Darüber würde ich mir wirklich
keine Gedanken machen. Sie sind ihr trotzdem eine große Hilfe.«
»Miss Adams ist reizend zu mir,
sie will mir sogar den Aufenthalt in einer Privatklinik bezahlen. Das kann ich
natürlich nicht annehmen, das werden Sie sicher verstehen?«
»Selbstverständlich«, sagte
Larry, und ich nickte ebenfalls. »Außerdem bezahlen Sie doch Ihre
Sozialbeiträge«, fuhr Larry fort, »und darum haben Sie Anspruch auf eine
kostenlose Behandlung. Das Krankenhaus soll übrigens auch wirklich gut sein.
Und darum dachte ich mir... «
Sie kam nicht dazu, uns zu
sagen, was sie dachte, denn in diesem Augenblick stimmte Christina ein
entsetzliches Geschrei an. Sie hatte zusammen mit Christopher fröhlich im
Garten gespielt, aber jetzt klang es so, als würde sie umgebracht. Wir stürzten
hinaus und stellten fest, daß ihr niemand etwas zuleide getan hatte, ihr waren
wohl nur die Nerven durchgegangen. Sie starrte in die Höhe und schluchzte
herzerweichend — ob aus Neid oder aus Angst, war schwer zu entscheiden. Wir
hatten auch keine Zeit, uns lange darüber den Kopf zu zerbrechen, denn zunächst
sahen wir uns vor die Aufgabe gestellt, meinen Sohn vom Garagendach
herunterzuholen, wo er sich, laut krähend vor Vergnügen herumtummelte.
Daraufhin hatten wir das
Gefühl, uns einen starken Kaffee verdient zu haben, und während wir ihn tranken,
machte Larry uns mit ihrer Inspiration bekannt — dem eigentlichen Anlaß meines
Besuches.
»Ruth, wie weit würden Sie
gehen, um endlich dieses lästige Organ loszuwerden und wieder fit zu sein wie
früher?« begann sie.
Ruth schwieg einen Augenblick
nachdenklich. »Ich würde eigentlich alles riskieren, nur kein Geld borgen«,
erwiderte sie dann.
»Gut! Und welche Nahrungsmittel
bekommen Ihnen am schlechtesten?«
»Muscheln, nehme ich an.
Jedenfalls habe ich nie einen so bösen Anfall gehabt wie in der Nacht nach jenem
Picknick. Jetzt nehme ich mich natürlich sehr in acht. Doktor North meint, wenn
ich strenge Diät halte, brauchte ich im Augenblick keine Komplikationen zu
befürchten.«
»Das sieht dem Kerl ähnlich.
Mit zwanzig sollte man sich noch keine Sorgen um Diät machen müssen. Mit
sechzig lasse ich mir das eher gefallen. In Ihrem Alter sollten Sie überhaupt
nicht merken, daß Sie einen Bauch haben.«
»Tja, unglücklicherweise merke
ich das aber.«
»Und glücklicherweise habe ich
eine Idee.«
Ich wagte einzuwenden, daß es
noch sehr fraglich sei, welches von beiden als das größere Übel anzusehen sei,
aber Larry ignorierte meinen Zwischenruf. »Wenn dieser Narr von einem Doktor
Sie unbedingt während eines Anfalls zu
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