Mittagessen Nebensache
Dawns Gegenwart könne, selbst wenn einem gar nicht danach
zumute wäre.
Dawn brachte ihr Haar >in
Ordnung<, und ich durfte zum ersten und einzigen Male bei dieser heimlichen
Prozedur zuschauen. Plötzlich wandte sich Dawn mir zu, ihre übliche Geziertheit
war verschwunden, ihr Gesicht strahlte warm und freundlich.
»Ich muß dir unbedingt alles
erzählen, arme kleine Susan. Leg dich doch aufs Bett und ruh dich dabei aus. Du
siehst schrecklich mitgenommen aus. Ich danke Gott, daß ich nicht auch diesen
Grippevirus aufgeschnappt habe. Stell dir vor, ich hätte in diesem Zustand vor
den Altar treten müssen!«
Man konnte ihr unmöglich böse
sein. Dawn war eben Dawn Darum erwiderte ich nachsichtig, daß sie in jedem Fall
viel hübscher ausgesehen haben würde als ich.
»Weißt du, die paar Tage bei
den Hills waren für mich die Hölle«, begann sie. »Ich kann einfach nicht mit
Kindern umgehen. Das weißt du ja selbst, und die kleinen Hills waren nicht
einmal wie Christopher. So... so schmuddelig, und ewig liefen ihnen die Nasen,
und immer verschütteten sie das Essen, und von Klein-Henry gar nicht zu
reden...!«
Sie schüttelte sich, und ich
konnte mir lebhaft vorstellen, was sie durchgemacht haben mußte. »Außerdem war
ja auch noch diese arme Frau zu pflegen. Ich mußte ihr beim Waschen helfen,
mußte ihr das wirklich jammervolle Haar bürsten. Ach Susan, das konnte ich
einfach nicht aushalten. Zwei Nächte lang habe ich mich in den Schlaf geheult.
Und als sich gerade eine Chance bot, schickte ich Gregory ein langes und
ziemlich kostspieliges Telegramm — übrigens, ich muß ihn überhaupt noch daran
erinnern, daß er es bezahlt. Ich habe nämlich Paul damit belasten lassen. Ich
telegrafierte ihm: >Versuche enorm große Familie zu pflegen. Bin selbst
beinahe tot. Könntest du irgendwie Schwester auftreiben und mich erlösen.<
Ich machte es dringend, denn schließlich war es ein SOS-Ruf. Außerdem natürlich
eine Art Probe. Seit ich hierherkam, versuchte ich mir ja über Gregory
klarzuwerden.«
»Und da dachtest du dir, wenn
er nun im Handumdrehen eine Schwester auftreibt und dir auf diese Weise das
Leben rettet, dann ist er auch wert, geheiratet zu werden. So war es doch?«
»Ja, gewissermaßen. Ich hatte
ihn schon lange gern, aber es war so blöd von Mutter, uns mit aller Gewalt
zusammenbringen zu wollen. Und dann kam ich hierher und lernte David kennen.
David ist ja ein netter Bursche, wie du weißt. Viel hübscher als Gregory.«
»David ist noch ein großer
Junge. Erst fünfundzwanzig. Und vor allem: er lebt auf dem Lande.«
»Ich weiß. Aber ich hätte ihn
vielleicht dazu bringen können, eine Farm in einer Gegend zu kaufen, wo es
nicht so todlangweilig ist wie hier. Näher bei der Stadt, und mit netteren
Nachbarn. Ich habe mir alles gründlich durch den Kopf gehen lassen. Oh, ich
kann dir versichern, Klein-Dawn hat manche schlaflose Nacht in diesem Bett dort
verbracht. Es ist ganz schön, nach außenhin das süße,
leichtfertige Schwesterchen zu spielen, aber man muß schließlich auch seinen
kühlen Kopf bewahren, Susan.«
Ich mußte lächeln. Wenn Dawn so
schockierend offen war, mußte man sie einfach gern haben. »Nun, das scheinst du
ja auch getan zu haben.«
»Siehst du, ich wußte genau,
daß David es nicht ernst mit mir meinte. Er gehört zu der Sorte, die mit jedem
hübschen Mädchen flirtet, aber mehr steckt auch nicht dahinter. Außerdem bin
ich gar nicht sein Typ, und diese reichen Boys überlegen es sich zweimal, ehe
sie heiraten. David wird eines Tages ein ruhiges, zuverlässiges Mädchen nehmen,
das ihn bemuttert und einen ordentlichen Menschen aus ihm macht. Kurz gesagt — ein
Mädchen wie Ruth.«
Ich blickte sie überrascht an.
»Es würde mich wirklich nicht im geringsten wundern«, fuhr sie fort, »wenn es
schließlich so kommen sollte. Vorausgesetzt, daß sie ihn überhaupt haben will.
Wahrscheinlich noch nicht in diesem und wohl auch noch nicht im nächsten Jahr,
sondern wenn sie ihn erst reformiert und einen tüchtigen Farmer aus ihm gemacht
hat. Ruth ist nicht besonders hübsch, aber sie ist nicht dumm und macht alles
das, was Männern so imponiert.«
Ich pflichtete ihr bei, daß
Ruth ihre guten Eigenschaften habe. Inwieweit man sie als hübsch bezeichnen
konnte oder nicht, darüber wollte ich mich mit Dawn in keine Diskussion
einlassen.
»Jedenfalls kam David für mich
nicht in Frage. Ich streckte natürlich meine Fühler aus, auch bei ihm. Ich will
es dir ruhig gestehen,
Weitere Kostenlose Bücher