Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)
als solchen, sondern in ihrer Kohärenz mit sozialen Innovationen. So setzte sich die prozesstechnische Innovation fordistischer Massenproduktion – sie wurde bereits in den 1920er Jahren entwickelt – erst in den 1950er und 1960er Jahren durch. Denn erst in dieser Phase wurde die technische Innovation der Massenproduktion durch die soziale Innovation der Stärkung der Massenkaufkraft in Gestalt einer keynesianischen Politik akkomodiert.
Das Konzept des politökonomischen Entwicklungszyklus unterscheidet sich markant vom Konzept des langen Zyklus in der Tradition von Kondratieff (1926) und Schumpeter (1939) – für eine zusammenfassende Darstellung siehe Van Duijn (1983). Letzterer sieht im Auftreten und der Diffusion von Basisinnovationen als solchen die Triebkraft der langen Wellen. Dieses Konzept kann die Wirtschaftsdynamik der Nachkriegszeit kaum erklären. Denn in der Prosperitätsphase traten keine Basisinnovationen auf, umgekehrt hat die Basisinnovation der Mikroelektronik Produktion, Handel und Konsum vielfach dramatisch verändert, ohne dass sich ein hohes und stabiles Wirtschaftswachstum eingestellt hätte.
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Auf den Punkt gebracht: Um die Banken und damit die Vermögen der »Reichen an Geld« zu retten, nahm der Staat enorme Kredite auf, überwiegend bei den »Reichen an Geld«, die sich so ihre eigene Rettung auch noch gut bezahlen lassen (besonders wenn sie Problemstaaten wie Griechenland Geld leihen, dafür hohe Risikoprämien erzielen und gleichzeitig an die soliden Staaten appellieren, aus Gründen der europäischen Solidarität kein Land pleite gehen zu lassen …). Dieser – nahezu groteske – Zusammenhang wird in einem – auch sonst lesenswerten – Buch von Ulrike Hermann herausgearbeitet (Hermann, 2010).
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Das Ausmaß des »neoliberalen Smogs« in den Köpfen der ökonomischen Eliten differiert nicht nur nach Ländern, sondern insbesondere auch nach Kommunikationsmedien: Auf verschiedensten Internet-Blogs wird viel innovativer und undogmatischer über Ursachen und Folgen der großen Krise debattiert als in den Printmedien oder in wissenschaftlichen Journalen (unabhängig von dem natürlich unterschiedlichen Stil der verschiedenen Medien: Artikel, welche dem ökonomischen Mainstream inhaltlich widersprechen, werden nur selten von den wissenschaftlichen Zeitschriften akzeptiert). Eine Übersicht über einige besonders informative und anregende Blogs findet sich nach dem Literaturverzeichnis am Ende des Buches.
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Allgemeiner formuliert: Es gilt, zwei gegensätzliche Entfaltungsmöglichkeiten der BürgerInnen zu integrieren, ihre Entfaltung als Individuen durch Streben nach individuellem Eigennutz und ihre Entfaltung als soziale Wesen durch Solidarität (= sozialer Eigennutz).
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Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Marterbauer (2010). Eine offensive Konsolidierungspolitik, die auch die Ungleichheit in der Einkommensverteilung explizit im Visier hat, ist insbesondere deshalb geboten, da wir ein Zeitalter der verminderten Erwartungen vor uns haben: Das Wirtschaftswachstum wird mittelfristig viel zu schwach sein, um das Doppelproblem hoher Arbeitslosigkeit und hoher Budgetdefizite nachhaltig zu verringern.
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Das Haavelmo-Theorem besagt, dass ein bestimmter Betrag zusätzlicher Staatsausgaben die Wirtschaft stärker stimuliert als eine Steuersenkung gleicher Höhe. Das Sparparadox verdeutlicht, dass unter ungünstigen makroökonomischen Bedingungen der Versuch des Staates, sein Defizit durch Sparen zu senken, zum Gegenteil führt, nämlich zu einem höheren Defizit (weil die Wirtschaft durch die Reduktion der Staatsnachfrage gedämpft wird).
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Vorschläge dazu wurden in jüngster Zeit formuliert in der » UN Commission of Experts on Reforms of the International Monetary and Financial System« (»Stiglitz-Kommission« – zitiert im Literaturverzeichnis als UN Commission, 2009), im »Larosiere-Report« (2009) im Auftrag der EU- Kommission sowie in einer Analyse der »global economic crisis« durch die UNCTAD (2009). Vorschläge für eine bessere Regulierung der Finanzmärkte finden sich auch in Horn et al. (2009A). Allgemeine Leitlinien für »the ways out of the crisis and the building of a more cohesive world hat die GN unter Vorsitz von Fitoussi und Stiglitz formuliert (Fitoussi/Stiglitz, 2009).
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Die Ungleichgewichte zwischen den EU -Ländern (Leistungsbilanzdefizite bzw. -überschüsse) sowie zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor innerhalb jedes Landes (Budgetdefizite) müssen in ihrer
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