Mitten in der Nacht
voll bepackten Mercedes-Allradwagen wie Nebel über einen langsam fließenden Fluss. »Wo bist du, Junge?«
»Ich sitze in meinem Auto und schaue auf meinen nutzlosen Besitz, den ich verrückterweise gekauft habe. Warum zum Teufel hast du mir das nicht ausgeredet oder mich irgendwo eingewiesen?«
»Du bist hier? Du Teufelskerl! Ich hatte nicht vor morgen mit dir gerechnet.«
»Konnte es nicht mehr erwarten.« Er rieb sich das Kinn, hörte das Kratzen der Bartstoppeln. »Bin fast die ganze letzte Nacht durchgefahren und auch heute Morgen ganz früh losgefahren. Remy? Was habe ich mir nur dabei gedacht?«
»Wenn ich das wüsste. Hör zu, ich muss hier noch ein paar Dinge regeln, gib mir ein, zwei Stunden Zeit, dann komme ich zu dir raus. Ich bringe uns auch was zum Saufen mit. Wir werden dieses Rattenloch hochleben lassen und an die alten Zeiten anknüpfen.«
»Gute Idee. Das wäre schön.«
»Bist du schon drin gewesen?«
»Nein. Ich arbeitete mich darauf zu.«
»Jesus, Dec, geh rein und bleib nicht im Regen stehen.«
»Ja, ist ja gut.« Declan strich sich mit der Hand übers Gesicht. »Dann bis bald.«
»Ich bring uns was zu essen mit. Versuch um Himmels willen nicht, was zu kochen. Wäre nicht gut, wenn du den Bau abfackelst, noch ehe du eine Nacht darin geschlafen hast.«
»Blödmann.« Er hörte Remy lachen, ehe er auflegte.
Er startete den Motor wieder und fuhr bis zum Fuß dessen, was von den beiden Treppen übrig geblieben war, die den Eingang flankierten. Er ließ das Handschuhfach aufspringen und nahm die Schlüssel heraus, die man ihm nach Vertragsunterzeichnung zugeschickt hatte.
Er stieg aus und war sofort durch und durch nass. Nachdem er sich entschlossen hatte, die Kisten einstweilen im Auto zu lassen, rannte er in den Schutz der Eingangsgalerie, wobei er spürte, wie unter seinen schweren Schritten einige der Ziegel nachgaben, mit denen der Boden gepflastert war. Er schüttelte sich wie ein Hund.
An den Ecksäulen sollte etwas hochranken, überlegte er. Etwas mit kühlen blauen Blüten. Er konnte sie sehen, wenn er sich nur fest genug darauf konzentrierte. Etwas Offenes, fast wie ein Kelch, mit herzförmigen Blättern.
Das muss ich mal irgendwo gesehen haben, vermutete er, und wandte sich der Tür zu. Es war eine Doppeltür mit Schnitzarbeiten und langen gebogenen, verglasten Aussparungen an jeder Seite, darüber ein halbmondförmiges Oberlicht. Und als er mit seinen Fingern über die Türflügel strich, empfand er dabei eine Erregung, die ihn nicht mehr losließ.
»Willkommen zu Hause, Dec«, sagte er laut und schloss die Tür auf.
Die Eingangshalle entsprach genau seiner Erinnerung. Der weitläufige Fußboden aus Sumpfkiefer, die hohe Decke. Das Gipsmedaillon über ihm bestand aus einem Doppelkranz irgendwelcher Blumen. Wahrscheinlich hatte es in seiner Blütezeit mit einem fabelhaften Kristalllüster geprahlt. Jetzt brachte es gerade noch eine einzige nackte Glühbirne hervor, die an einem langen Kabel baumelte. Doch als er den Wandschalter betätigte, blinkte sie auf. Das war doch schon etwas.
Im Brennpunkt stand auf jeden Fall die Treppe. Sie stieg breit und gerade zum ersten Stock empor, wo sie nach rechts und links in die jeweiligen Flügel abzweigte.
Wozu ein allein stehender Mann ohne momentane Aussichten oder Absichten auf eine Veränderung dieses Status zwei Flügel brauchte, war eine Frage, die er sich im Augenblick lieber nicht stellte.
Das Geländer überzog grauer Staub, doch als er mit dem Finger darüber rieb, spürte er das glatte Holz darunter. Wie viele Hände hatten es wohl angefasst? Wie viele Finger hatten wohl daran entlanggestrichen?, fragte er sich. Diese Art von Fragen faszinierten ihn, sie zogen ihn an.
Und diese Art von Fragen ließ ihn auch bei geöffneter Haustür die Treppe hochsteigen, während draußen hinter dem Regenvorhang seine Habseligkeiten im Auto auf ihn warteten.
Möglicherweise hatten früher einmal Teppiche auf den Treppen gelegen. Wahrscheinlich hatten Läufer den langen Hauptflur bedeckt. Üppige Muster in sattem Rot. Fußböden, Holzteile, Tischplatten waren sicherlich ehrfürchtig mit Bienenwachs poliert worden, bis sie wie das Kristall der Lüster glänzten.
Auf Festen glitten dann Frauen in atemberaubenden Roben die Treppen hinauf und hinab – elegant und selbstsicher. Einige der Männer versammelten sich im Billardzimmer, wo ihnen das Spiel zum Vorwand diente, Zigarren zu rauchen und über Politik und Finanzen zu dozieren.
Und
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