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Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Titel: Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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Schmuckstück auf den dunkelblauen Stoff, strich geistesabwesend immer wieder über die funkelnden Steine.
    Er sah zu Grube hoch. „Aber woher haben die das gewusst? Das können die doch nicht gewusst haben, oder?“
    Grube wurde hellhörig. Seine fast schwarzen Augen unter der hohen Stirn blickten Berger aufmerksam an. „Was denn, Herr Berger? Was können die nicht gewusst haben?“
    „Dass …“, er rang nach Luft und zeigte zur Decke. „Wir wohnen hier drüber. Eigentlich ist immer jemand da. Nur heute nicht.“ Der kleine Mann schwankte. Grube wischte Splitter von der cremefarbenen Sitzfläche eines eleganten Jugendstilsessels und half Berger sich zu setzen. Seine tiefe Stimme brüllte wie ein Donner über den Platz. „Wo bleibt denn der Sanni!“ Eilig kam ein junger Mann in orangefarbener Jacke herübergelaufen.

3
    Mit neunzehn arbeitet sie an den Wochenenden als Zimmermädchen im Hotel Residenz. Er ist Autohändler aus dem Westen und regelmäßiger Gast. Seine Anzüge sind von Armani, seine Schuhe aus Italien. „So einen“, sagen ihre Kolleginnen, „so einen müsste man abkriegen.“
    Sie reinigt das Bad, als er im Türrahmen steht und amüsiert zusieht. Sie spürt die Hitze in ihren Wangen, senkt den Blick und konzentriert sich ganz auf das Säubern des Waschbeckens. Als sie am Nachmittag den Arbeitskittel gegen Straßenkleidung getauscht hat und durch die Lobby auf dem Weg zum Bus eilt, spricht er sie an. Er begleitet sie zum Busbahnhof, lädt sie in ein Café ein. „Sie gefallen mir“, sagt er, und sie starrt verlegen in ihren Cappuccino. Einunddreißig Jahre ist er. Er sieht gut aus, und sie spürt die interessierten Blicke von den Nachbartischen. Eine Stunde bleiben sie. Immer wieder sieht sie ihn unsicher an, hört sich sagen, dass sie im ersten Semester Pädagogik studiert, mit ihrer Mutter alleine lebt und gerne ins Kino geht. Er hört zu, stellt Fragen, warnt sie, ihr Studium wegen des Hoteljobs nicht zu vernachlässigen. Dann hat sie auch den zweiten Bus verpasst, und er fährt sie kurzerhand in seinem Porsche nach Hause.
    Als sie abends im Bett liegt, kann sie ihr Glück kaum fassen.
    Sie rollt sich in die Bettdecke ein. Aber nein! Er hat sich einen Spaß erlaubt, hat ihre Verlegenheit genossen. So ein Mann wird sich nicht wirklich für sie interessieren. So ein Mann wählt die Schönen, die Selbstbewussten. Die, die sicher auf hohen Schuhen laufen und die Augen nicht senken, wenn er sie anspricht.
    Eine Woche später steht er nachmittags vor der Wohnungstür. Zwei Blumensträuße hat er im Arm. Einen für sie, einen für die Mutter. Die Enge der Wohnung ist ihr peinlich. Sie zieht noch schnell den Überwurf auf dem Sofa glatt und dreht den Ton des Fernsehers leise. Auf dem Couchtisch steht eine halbvolle Flasche billigen Cognacs. Ihre Mutter holt ein zweites Glas, lacht zu laut und entschuldigt sich für den Bademantel um diese Uhrzeit. Sie sei „unpässlich“, sagt sie.
    Daran erinnert sie sich genau. Nicht „mir geht es nicht gut“ oder „ich bin krank“, nein, „unpässlich“ hatte die Mutter mit künstlich hoher Stimme gesagt und dabei Cognac verschüttet.
    Er deutete eine Verbeugung an, überreichte seine Karte und sagte: „Ich würde gerne heute Abend mit Ihrer Tochter ausgehen. Natürlich nur, wenn Sie erlauben.“
    Den Unglauben im Gesicht der Mutter kann sie bis heute vor sich sehen. Der Unglaube im Gesicht der Mutter verletzt sie bis heute.
    Sie gehen ins Kino und anschließend in ein Restaurant. Ihre Nervosität amüsiert ihn. Mehrmals legt er beruhigend seine Hand auf ihren Arm, nennt sie Kleines und Dummerchen.
    In den nächsten drei Monaten kommt er regelmäßig aus dem fernen Emmerich nach Frankfurt/Oder. Sie wartet sehnsüchtig. Seine Blicke nehmen ihr die Blässe, machen sie schön, machen sie sichtbar. Seine Berührungen durchdringen sie mit einer nie gekannten Wärme. Wie der Mond leuchtet sie nur in seinem Licht. Seine weltgewandte Art gibt ihr Sicherheit. Nur manchmal, wenn er sich ärgert, verliert er diese gleichmäßige Freundlichkeit. Dann zieht er den rechten Mundwinkel hoch und aus seinem Gesicht spricht nackte Verachtung. An einem Abend schimpft er einen Kellner einen Idioten, weil der vergessen hat, den Wein nachzuschenken. Er springt auf, greift nach ihrem Arm und zerrt sie aus dem Lokal.
    Einmal nennt er eine Verkäuferin „blöde Kuh“, weil sie ihm ein deutlich zu kleines Jackett in die Umkleidekabine reicht und verlässt wutentbrannt das

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