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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Organismen zu verwandeln. Diese Vorstellung peitschte Lomans Angst zu neuen Höhen.
    Das Kind-Ding verstummte wieder.
    Loman zog den Revolver aus dem Halfter. Seine Hand zitterte heftig.
    Daten huschten immer wahnwitziger über den Schirm und schwammen gleichzeitig über die Oberfläche von Dennys geschmolzenen Augen.
    Während er das Geschöpf betrachtete, das einmal sein Sohn gewesen war, kramte Loman Erinnerungen aus der Truhe seines Lebens vor der Verwandlung und versuchte verzweifelt, etwas von dem zu beschwören, was er einst für Denny empfunden hatte - die Liebe eines Vaters zu seinem Sohn, den süßen Schmerz des Stolzes, die Hoffnungen für die Zukunft des Jungen. Er erinnerte sich an Angelausflüge, die sie zusammen unternommen hatten, an Abende vor dem Fernseher, Lieblingsbücher, die sie beide gelesen und über die sie sich unterhalten hatten, viele Stunden, die sie glücklich gemeinsam an wissenschaftlichen Projekten für die Schule gearbeitet hatten, das Weihnachtsfest, zu dem Denny sein erstes Fahrrad bekommen hatte, die erste Verabredung des Jungen, als er nervös die Tochter der Talmadges nach Hause gebracht hatte, damit sie seine Eltern kennenlernte... Loman konnte Erinnerungen an all das heraufbeschwören, deutliche Bilder der Erinnerung, aber sie konnten ihn nicht glücklich machen. Er wußte, er sollte etwas empfinden, wenn er sein einziges Kind umbringen wollte, mehr als Angst, aber dazu war er nicht mehr imstande. Um das zu erhalten, was noch von einem Menschen in ihm war, sollte er sich mindestens eine Träne herauspressen können, mindestens eine, wenn er den Abzug der Smith & Wessen betätigte, aber seine Augen blieben trocken.
    Dann platzte etwas ohne Vorwarnung aus Dennys Stirn.
    Loman schrie auf und taumelte überrascht zwei Schritte zurück.
    Zuerst hielt er das Ding für einen Wurm, denn es glänzte ölig und war in Segmente unterteilt und so dick wie ein Bleistift. Aber je weiter es herauskam, desto deutlicher sah er, daß es mehr metallisch als organisch war und in einem Stecker endete, der etwa dreimal so dick war wie der >Wurm< selbst. Es schwankte vor Dennys Gesicht hin und her wie der Fühler eines unvergleichlich widerwärtigen Insekts und wurde länger und länger, bis es den Computer berührte.
    Er will, daß das passiert, sagte sich Loman.
    Das war die Macht von Verstand über Materie, keine kurzgeschlossene Genetik. Greifbar gemachte Geisteskraft, nicht amoklaufende Biologie. Dies war es, was der Junge werden wollte, und wenn dies das einzige Leben war, das er jetzt noch ertragen konnte, die einzige Existenz, die er begehrte, warum sollte er sie dann nicht bekommen dürfen?
    Der gräßliche wurmartige Fortsatz sondierte den freigelegten Mechanismus, wo einmal die Abdeckplatte gewesen war. Er verschwand im Inneren und stellte eine Verbindung her, die dem Jungen ein intimeres Band mit Sonne verschaffte, als es nur mit seinen mutierten Händen und Quecksilberaugen möglich gewesen wäre.
    Ein hohles, elektronisches Heulen, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, drang aus dem Mund des Jungen, obwohl er weder Lippen noch die Zunge bewegte.
    Lomans Angst zu handeln war größer geworden als seine Angst davor, nicht zu handeln. Er kam näher, hielt dem Jungen die Mündung des Revolvers an die rechte Schläfe und feuerte zwei Schuß ab.

17
    Chrissie, die auf der Veranda kauerte, sich an die Hauswand lehnte und ab und zu vorsichtig hochkam und die drei Menschen beobachtete, die um den Frühstückstisch saßen, kam allmählich zu der Überzeugung, daß sie ihnen trauen konnte. Sie konnte im dumpfen Prasseln und Rauschen des Re gens und bei geschlossenem Fenster nur Bruchstücke ihrer Unterhaltung verstehen. Aber nach einer Weile war ihr klar, daß sie wußten, daß etwas in Moonlight Cove ganz und gar nicht stimmte. Die beiden Fremden schienen sich in Mr. Talbots Haus zu verstecken und waren ebenso auf der Flucht wie sie. Sie arbeiteten offenbar an einem Plan, Hilfe von den Behörden außerhalb von Moonlight Cove zu holen.
    Sie entschied sich dagegen, an die Tür zu klopfen. Sie bestand aus solidem Holz, ohne Scheiben in der oberen Hälfte, daher würden sie nicht sehen können, wer klopfte. Sie hatte genug gehört, um zu wissen, daß sie nervös waren, vielleicht nicht so gründlich mit den Nerven am Ende wie sie selbst, aber eindeutig zappelig. Ein unerwartetes Klopfen an der Tür würde ihnen allen einen Herzanfall verschaffen - oder vielleicht würden sie zu den Waffen

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