Mitternacht
anpaßte. Das Glas wurde so flexibel wie Gelantine, wölbte sich nach außen, als würde Coltrane tatsächlich leib haftig in der Maschine existieren und jetzt sein Gesicht herausdrücken.
Dies war unmöglich. Und trotzdem passierte es. Harley Coltrane schien Kraft seines Geistes die Materie zu beherrschen - eines Geistes, der nicht einmal mehr mit dem Körper verbunden war.
Sam war wie hypnotisiert vor Angst, erstarrt, gelähmt. Sein Finger lag reglos am Abzug.
Die Wirklichkeit war eingerissen und durch diesen Riß drang eine Alptraumwelt von unendlicher Bösartigkeit in diese Welt herüber, die Sam kannte und - plötzlich - liebte.
Eines der schlangengleichen Kabel hatte sich bis zu seiner Brust vorgearbeitet und drang unter den Pullover auf nackte Haut. Ihm war, als wäre er von einem weißglühenden Brandeisen gestreift worden, und dieser Schmerz brach den Bann.
Er feuerte zwei Schuß in den Comp uter und zerschmetterte zuerst den Bildschirm, das zweite Gesicht von Harley Coltrane, in das er eine 38er-Kugel pumpte. Sam rechnete halb damit, daß es die Kugel ohne Wirkung absorbieren würde, aber die Kathodenröhre explodierte, als wäre sie immer noch aus Glas. Der zweite Schuß zerschmetterte die Innereien des Datenspeichers und machte dem Ding, das Coltrane geworden war, endgültig den Garaus.
Die blassen, öligen Tentakel fielen von ihm ab. Sie warfen Blasen, fingen an zu blubbern und schienen vor seinen Augen zu verwesen.
Unheimliche elektronische Piepstöne, Knistern und Oszillationen, nicht ohrenbetäubend laut, aber unangenehm stechend, tosten durch das Zimmer.
Als Sam zu der Frau sah, die am anderen Computer saß, an der Ostwand, stellte er fest, daß die schleimglatten Kabel zwischen ihr und der Maschine ebenfalls länger geworden wa ren und es ihr ermöglichten, sich mit dem Stuhl umzudrehen und ihn anzusehen. Abgesehen von diesen halborganischen Verbindungen und ihrer Nacktheit befand sie sich in einem völlig anderen, aber deshalb nicht weniger teuflischen Zustand als ihr Mann. Auch ihre Augen waren verschwunden, aber in den Höhlen leuchteten keine unterschiedlichen Sensoren. Zwei rötliche Kugeln, dreimal so groß wie gewöhnliche Augen, erfüllten grotesk vergrößerte Augenhöhlen in einem Gesicht, das ihretwegen neu gestaltet worden war; es waren weniger Augen als vielmehr augenförmige Rezeptoren, die zweifellos imstande waren, verschiedene Lichtspektren zu sehen, und tatsächlich konnte Sam ein auf dem Kopf stehendes Bild von sich selbst in jeder Linse erkennen. Ihre Beine, Bauch, Brüste, Arme, Hals und Gesicht waren dicht von aufgequollenen Blutgefäßen überzogen, die direkt unter der Haut lagen und bis zum Bersten prall gefüllt zu sein schienen, daher sah sie aus, als wäre sie ein elektronischer Schaltplan. In einigen dieser Gefäße mochte tatsächlich Blut fließen, aber in anderen pulsierten Wogen radiumähnlicher Beleuchtung, manche grün und andere schwefelgelb.
Eine in Segmente unterteile wurmähnliche Sonde, die etwa so dick wie ein Bleistift war, brach aus ihrer Stirn hervor, als wäre sie mit der Pistole geschossen worden, und streckte sich Sam entgegen, überwand die drei Meter zwischen ih nen binnen eines Sekundenbruchteils und traf ihn über dem rechten Auge, bevor er sich ducken konnte. Die Spitze fraß sich beim Kontakt in seine Haut. Er hörte ein surrendes Ge räusch, als würden sich winzige Fräsen mit eine Geschwindigkeit von tausend Umdrehungen pro Minute drehen. Blut rann an seiner Stirn und der Nase hinab. Aber er feuerte, noch während die Sonde auf ihn zuschnellte, die beiden letzten Schüsse im Revolver ab. Beide Schüsse trafen ihr Ziel. Einer drang in den Oberkörper der Frau, der zweite ging in den Computer hinter ihr und löste einen Funkenschauer und knisterte elektrische Blitze aus, die zur Decke stoben und kurz über den Verputz krochen, ehe sie erlo schen. Die Sonde erschlaffte und fiel von ihm ab, bevor sie sein Gehirn mit ihrem verbinden konnte, was offenbar ihre Absicht gewesen war.
Abgesehen vom grauen Tageslicht, das durch papierdünne Schlitze zwischen den Streifen der Jalousien hereinfiel, war es dunkel in dem Zimmer.
Sam erinnerte sich irrwitzigerweise an etwas, das einmal ein Computerspezailist während eines Seminars für Agenten gesagt hatte, als er erklärte, wie das neue System des Bu reaus funktionierte: »Computer funktionieren noch effektiver, wenn sie miteinander verbunden sind, was eine parallele Datenverarbeitung
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