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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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nicht öfter zum Essen eingeladen oder an ih ren Feiertagspartys teilnehmen lassen? Warum hatten sie ihn so sehr sich selbst überlassen, daß er nur mittels Fern glas und Teleskop am gesellschaftlichen Leben dieser Stadt teilnehmen konnte? Sam empfand stechende Verzweiflung über die Unwilligkeit der Menschen, sich zu öffnen, über die Art, wie sie sich selbst und andere isolierten. Dann mußte er bestürzt an sein eigenes Unvermögen denken, mit seinem Sohn zu kommunizieren, was seine Stimmung weiter verschlechterte.
    Zu Harry sagte er: » Was meinen Sie damit, der Zustand, in dem sich Armes' Leichnam befand?«
    »Zerfetzt. Zerstückelt.«
    »Er ist nicht ertrunken?«
    »Sah nicht so aus.«
    »Zerfetzt... Was genau meinen Sie damit?« fragte Tessa.
    Sam wußte, sie dachte an die Leute, deren Schreie sie im Motel gehört hatte - und an ihre Schwester.
    Harry zögerte, dann sagte er: »Nun, ich sah ihn auf dem Tisch im Krematorium, bevor sie ihn in den Ofen schoben. Er war... ausgeweidet worden. Beinahe geköpft. Schrecklich. .. zerrissen. Er sah so schlimm aus, als wäre er auf eine Tellermine getreten und von den Splittern zerfetzt worden.«
    Sie saßen schweigen da und dachten über diese Beschreibung nach.
    Nur Moose schien unberührt. Er gab einen leisen Laut der Zufriedenheit von sich, als Tessa ihn hinter den Ohren kraulte.
    Sam dachte, daß es vielleicht gar nicht so schlecht wäre, ein niederes Tier zu sein, ein Wesen der Gefühle, ohne die Last des Intellekts. Oder, das andere Extrem, ein wirklich intelligenter Computer, nur Intellekt und überhaupt keine Ge fühle. Die große Doppelbelastung von Gefühlen und hoher Intelligenz lag nur auf den Menschen und sie machte das Leben so schwer; man dachte immer darüber nach, was man empfand, anstatt einfach dem Augenblick zu folgen, oder man versuchte immer, in einer gegebenen Situation das zu empfinden, was man empfinden zu müssen glaubte. Gedanken und Urteilsvermögen wurden unweigerlich von Gefühlen beeinflußt - manchmal auf unterbewußter Ebene, so daß man nicht einmal völlig begriff, warum man bestimmte Entscheidungen traf, sich auf bestimmte Weise verhielt. Emotio nen umwölkten das Denken; aber wenn man zu eingehend über seine Gefühle nachdachte, nahm man ihnen die Schärfe. Der Versuch, inbrünstig zu empfinden und gleichzeitig völlig klar zu denken, war, als würde man versuchen, mit sechs Keulen gleichzeitig zu jonglieren, während man mit einem Einrad auf dem Hochseil rückwärts fuhr.
    »Nach dem Artikel über Armes' Verschwinden in der Zeitung«, fuhr Harry fort, »wartete ich auf eine Korrektur, aber es wurde keine abgedruckt, und da wurde mir allmählich klar, daß die seltsamen Vorkommnisse bei Callan nicht nur seltsam waren, sondern möglicherweise kriminell - und daß die Polizei darin verwickelt war.«
    »Paula Parkins wurde auch zerrissen«, sagte Sam.
    Harry nickte. »Angeblich von ihren Dobermännern.«
    »Dobermänner?« fragte Tessa.
    Sam hatte ihr in der Wäscherei erzählt, daß ihre Schwester nur einer von vielen seltsamen Todesfällen und Selbstmorden war, aber er hatte ihr keine Einzelheiten der anderen erzählt. Jetzt erzählte er ihr rasch von Parkins.
    »Nicht von ihren eigenen Hunden«, stimmte Tessa zu. »Sie wurde von dem zerrissen, was auch Armes tötete. Und die Leute heute im Cove Lodge.«
    Harry hörte zum erstenmal von den Morden im Cove Lodge. Sam mußte ihm alles erklären, auch, wie er und Tessa einander in der Wäscherei begegnet waren.
    Harrys vorzeitig gealtertes Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an. Zu Tessa sagte er: »Äh... Sie haben diese Täter im Cove Lodge nicht gesehen? Keinen einzigen Blick?«
    »Nur einen Fuß durch einen Spalt unter der Tür.«
    Harry wollte etwas sagen, tat es aber nicht, sondern saß nachdenklich schweigend da.
    Er weiß etwas, dachte Sam. Mehr als wir.
    Aus irgendwelchen Gründen wollte Harry ihnen nicht mitteilen, was er wußte, denn er wandte sich wieder dem Notizbuch auf seinem Schoß zu und sagte: »Zwei Tage nach Paula Parkins' Tod wurde gegen halb zehn Uhr abends eine Leiche zu Callan gebracht.«
    »Das wäre der elfte September?« fragte Sam.
    »Ja.«
    »Keine Aufzeichnungen, daß an diesem Tag ein Totenschein ausgestellt worden ist.«
    »Auch nichts in der Zeitung.«
    »Fahren Sie fort.«
    Harry sagte: »Am fünfzehnten September...«
    »Steve Heinz, Laura Dalcoe. Angeblich hat er sie getötet und sich dann selbst das Leben genommen«, sagte Sam. »Streit unter

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