Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
Fenstern des Krematoriumflügels ausging. Sie waren zweifellos emsig damit beschäftigt, die Leichen des Ehepaars einzuäschern, das im Cove Lodge ermordet worden war.
    Tessa saß hinter Sam auf dem Bettrand und tätschelte Moose, der den Kopf in ihrem Schoß liegen hatte.
    Harry saß daneben im Rollstuhl. Er laß beim Licht einer Taschenlampe in einem spiralgebundenen Notizbuch, in dem er sich Aufzeichnungen über die außergewöhnlichen Vorgänge im Krematorium gemacht hatte.
    »Das erste - jedenfalls das erste ungewöhnliche Ereignis, das mir auffiel -, war in der Nacht des achtundzwanzigsten August«, sagte Harry. »Zwanzig Minuten vor Mitternacht. Sie brachten vier Leichen auf einmal mit dem Leichenwagen des städtischen Krankenhauses. Mit Polizeibegleitung. Die Leichen waren in Plastiksäcken, daher konnte ich sie nicht sehen, aber die Polizisten und Arzthelfer und die Leute von Callan waren deutlich zu sehen... und... nun, aufgeregt. Das habe ich in ihren Gesichtern gesehen. Und Angst. Sie sahen sich immer zu den benachbarten Häusern und dem Weg hin um, als fürchteten sie, jemand könnte sie dabei beobachten, was sie taten - was seltsam war, weil sie doch nur ihre Pflicht taten, oder nicht? Wie dem auch sei, später las ich in der. Lokalzeitung, daß die Familie Mayser bei einem Brand ums Leben gekommen war, und da wußte ich, daß sie in jener Nacht zu Callan gebracht worden waren. Ich nehme an, sie sind ebensowenig bei einem Brand gestorben, wir Ih re Schwester Selbstmord begangen hat.«
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte Tessa.
    Sam, der immer noch den Hinterhof des Bestattungsinstituts beobachtete, sagte: »Die Maysers habe ich auf meiner Liste. Sie kamen bei den Ermittlungen im Fall BustamenteSanchez ans Licht.«
    Harry räusperte sich und sagte: »Sechs Tage später, am dritten September, wurden kurz nach Mitternacht zwei Leichen zu Callan gebracht. Das war noch seltsamer, denn sie kamen nicht mit dem Leichen- oder Krankenwagen. Zwei Polizeiautos fuhren hinter dem Institut auf, und sie luden vom Rücksitz eines jeden einen Leichnam aus; beide waren in blutige Laken gewickelt.«
    »Am dritten September?« sagte Sam. »An diesem Datum habe ich niemanden auf meiner Liste. Sanchez und die Bustamentes waren am fünften. Am dritten wurden keine Totenscheine ausgestellt. Diesen beiden tauchten nie in den offiziellen Unterlagen auf.«
    »Auch in der Lokalzeitung stand nichts darüber, daß je mand gestorben wäre«, sagte Harry.
    Tessa sagte: »Also wer waren diese beiden Menschen?«
    »Vielleicht waren sie von außerhalb und hatten das Pech, daß sie in etwas Gefährliches hineingestolpert sind«, sagte Sam. »Menschen, deren Tod vollkommen vertuscht werden konnte, damit niemand erfährt, wo sie gestorben sind. Sie verschwanden einfach irgendwo unterwegs.«
    »Sanchez und die Bustamentes starben in der Nacht des fünften«, sagte Harry, »und dann Jim Armes in der Nacht des siebten.«
    »Armes verschwand auf dem Meer«, sagte Sam, sah vom Teleskop auf und betrachtete den Mann im Rollstuhl stirn runzelnd.
    Sie haben den Leichnam nachts um elf zu Callan gebracht«, sagte Harry und sah wegen Einzelheiten in sein Notizbuch. »Die Jalousien der Krematoriumsfenster waren nicht heruntergelassen, daher konnte ich alles sehen, fast so gut, als wäre ich selbst in dem Raum gewesen. Ich habe den Leichnam gesehen... den schrecklichen Zustand, in dem er sich befand. Und das Ge sicht. Ein paar Tage später, als die Zeitung einen Artikel über Armes' Verschwinden brachte, erkannte ich ihn als den Jungen, den sie verbrannt hatten.«
    Das große Schlafzimmer lag in völliger Dunkelheit, abgesehen vom Licht der Taschenlampe, das Harry mit der Hand abschirmte und auf das offene Notizbuch beschränkte. Die weißen Seiten schienen in einem eigenen Licht zu glühen, als wären sie die Seiten eines magischen oder heiligen - oder unheüigen - Buches.
    Harry Talbots mitgenommenes Äußeres wurde vom Widerschein dieser Seiten spärlich beleuchtet, und das eigentümliche Licht betone die Linien seines Gesichts und ließ ihn älter aussehen, als er war. Sam wußte, jede Linie stand für ein tragisches Ereignis und für Leid. Sympathie regte sich in ihm. Kein Mitleid. Er konnte niemanden bemitleiden, der so entschlossen war wie Talbot. Aber Sam war sich über Kummer und Einsamkeit von Harrys abgeschiedenem Leben im klaren. Während er den an den Rollstuhl gefesselten Mann betrachtete, wuchs Sams Zorn auf die Nachbarn. Warum hatten sie ihn

Weitere Kostenlose Bücher