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Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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Cain mit einer gewissen Bewunderung feststellte. Vielleicht war er wegen seines mädchenhaften Aussehens so aufsässig vorlaut. Ein auffällig hübscher Junge wie er musste sich bestimmt dauernd zur Wehr setzen.
    Jedenfalls war er noch zu jung, um sich allein durchs Leben zu schlagen. Cain war klar, dass er ihn eigentlich der öffentlichen Fürsorge übergeben müsste. Allerdings war ihm der Gedanke zuwider, zumal Kit ihn an seine
eigene Jugend erinnerte. Er war genauso resolut gewesen und den Leuten über den Mund gefahren, sobald er sich angegriffen gefühlt hatte. Er würde dem Jungen nichts Gutes damit tun, wenn er ihn in ein Waisenhaus steckte. Außerdem konnte der Stromer ausgezeichnet mit Pferden umgehen.
    Doras Bedürfnis nach Zweisamkeit überstieg schließlich ihre Bewegungsunlust, und sie bat den Major, mit ihr zum See zu spazieren. Dort spielte sich exakt die Szene ab, die er unbedingt hatte vermeiden wollen. Persönliches Pech. Wenn er so weitermachte, würde ihm sein ungezügeltes sexuelles Verlangen irgendwann einmal das Genick brechen.
    Er war froh, als sie zur Kutsche zurückkehrten, wo Kit sich mit dem Bootsverleiher und zwei grell geschminkten Liebesdienerinnen unterhielt, die vor der Arbeit noch einen kleinen Spaziergang gemacht hatten.
    Der Junge war wahrlich nicht auf den Mund gefallen.
     
    Am Abend, nach dem Nachtessen, fläzte Kit sich auf ihrem Lieblingsplatz vor der Scheune und tätschelte Merlins warmes Fell. Ihr geisterte immer noch durch den Kopf, was Magnus ihr vorhin über den rassigen Apollo erzählt hatte.
    »Der Major wird ihn nicht mehr lange behalten wollen.«
    »Und wieso nicht?«, hatte sie wissen wollen. »Apollo ist ein wunderschönes Pferd.«
    »Das ganz sicher. Aber der Major hängt sich nicht an Dinge, die er mag.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er trennt sich von seinen Pferden und seinen Büchern, bevor sie ihm zu sehr ans Herz wachsen. So ist er eben.«
    Für Kit war das unvorstellbar. Genau diese lieb gewordenen
Dinge gaben ihr Halt im Leben. Mag sein, dass der Major dergleichen nicht brauchte.
    Sie kratzte sich unter der schäbigen Kopfbedeckung. Unwillkürlich hatte sie das rosaweiße Häubchen von Dora Van Ness wieder vor Augen. Jenes groteske Gebilde aus Schleifchen, Spitzen und Rüschen. Trotzdem verfolgte es sie. Wie sie wohl mit einem solchen Ding aussehen mochte?
    War sie noch ganz bei Trost? Sie riss sich den speckigen Hut vom Kopf und schleuderte ihn zu Boden. Merlin blinzelte sie verblüfft an.
    »Schau mich nicht so an, Merlin. Diese Yankees machen mich noch ganz irre. Als wenn ich nicht schon genug im Kopf hätte, schlag ich mich auch noch mit irgendwelchen bescheuerten Kappen rum!«
    Merlin starrte sie aus treuen, braunen Hundeaugen an. Sie gab es nicht gern zu, aber er würde ihr fehlen, wenn sie wieder zu Hause war. Sie dachte an Risen Glory und die Arbeit, die dort vor ihr lag. Im nächsten Jahr um diese Zeit sollte die alte Plantage wieder in ihrem früheren Glanz erstrahlen.
    Als sie schwieg, legte Merlin seinen Kopf wieder auf ihre Knie. Abwesend kraulte Kit seine langen, seidigen Ohren. Sie hasste diese Stadt. Hatte genug von den Yankees und den lärmenden Straßen. Sie verabscheute ihren abgewetzten Hut und vor allem, dass die Leute sie ständig für einen Jungen hielten.
    Es war wie eine Ironie des Schicksals. Ihr ganzes Leben lang hatte sie alles abgelehnt, was irgendwie weiblich war, aber dass sie inzwischen überall als Junge durchging, fand sie genauso abscheulich. Oh Schreck, womöglich war sie zu einer Art Zwitterwesen mutiert.
    Gedankenverloren zupfte sie an ihren schmutzstarrenden Haarborsten. Jedes Mal, wenn der Major sie heute
»Junge« genannt hatte, hatte sich ihr der Magen umgedreht. Zu allem Überfluss hatte sie Doras verräterisch feuchte Augen bemerkt, als die zwei von ihrem Spaziergang zurückgekehrt waren. Die Frau war zwar entsetzlich, trotzdem hatte Kit unterschwellig Mitgefühl für sie empfunden. Im Austeilen war der arrogante, selbstsichere Baron Cain nämlich kaum zu überbieten.
    Während sie den Hund streichelte, rekapitulierte sie ihren Plan. Er war zwar nicht hundertprozentig idiotensicher, aber immerhin. Ihr Entschluss stand fest. Am Sonntag bekäme sie die einmalige Chance, diesen unsäglichen Yankee zu erschießen, und die wollte sie auf gar keinen Fall verpassen.
    Am nächsten Morgen warf Cain ihr eine Ausgabe von Walt Whitmans Grashalme zu.
    »Kannst du behalten.«

2
    Hamilton Woodward erhob sich, als Cain durch die

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