Mittsommerzauber
Harald die Firma führen sollte. Bis jetzt hatte das allerdings nicht geklappt, weil ständig etwas schief ging, und Silvia musste jedes Mal einspringen, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Bis vor kurzem hatte sie mehr oder weniger gutwillig alles so weiterlaufen lassen, und erst jetzt hatte sie beschlossen, dass die Situation dringend einer Änderung bedurfte.
Robert wies in die Halle. »Natürlich kann man hier noch einiges ändern. Vor allem sollte man die Kapazitäten erweitern.«
»Das will ich schon seit einer ganzen Weile«, räumte Silvia ein. »Allerdings fehlt mir dazu ein durchsetzungsfähiger Mitarbeiter.«
Robert machte gar nicht erst den Versuch, um den heißen Brei herumzureden. »Was ist mit Ihrem Sohn?«
»Im Moment gibt es ein paar Probleme. Mutter-Sohn-Probleme, nichts weiter. Es hat nichts mit der Firma zu tun.«
Daran glaubte sie vermutlich selbst nicht, doch sie wollte ganz offensichtlich das Thema nicht vertiefen, ein Wunsch, den Robert respektierte.
»Ich würde mir gern die Bücher ansehen«, sagte er. »Und vor allem den Waldbesitz im Norden, von dem Sie gesprochen haben.«
»Natürlich. Ich hatte überlegt, dass Sie für ein, zwei Tage mit Harald hinfahren. Er wird Ihnen alles zeigen.«
»Schön«, meinte Robert. »Wir sollten das allerdings bald machen.«
»Sicher. Ich werde Harald gleich Bescheid sagen.«
Vermutlich hatte sie dabei die Vorstellung, dass Harald seine ablehnende Haltung aufgab, wenn er ihn erst näher kennen lernte, was Robert indessen für ziemlich unwahrscheinlich hielt. Der Bursche hatte allzu starke Platzhirschallüren an den Tag gelegt, um sich so einfach geschlagen zu geben.
*
Nachdem sie im Schreibwarenladen ein neues Farbband für die Kasse und anderen Bürobedarf für die Apotheke gekauft hatte, schlenderte Anna über den Markt, um frische Lebensmittel zu besorgen. Berta hatte ihr eine Liste mitgegeben und dabei gemeint, dass sie zu Ehren des netten Sommergastes heute Abend etwas besonders Gutes kochen wolle. Anna fand an dieser Idee nichts auszusetzen und kaufte gleich noch frische Schnittblumen für die Tischdekoration. Sie würde sie im Waschraum der Apotheke in einen Eimer mit Wasser stellen und in der Mittagspause rasch alles nach Hause bringen.
Als sie am Café vorbeikam, war Silke gerade dabei, die Stühle und Tische abzuwischen.
»Hej, Anna, du hast uns ja gestern einen schönen Schrecken eingejagt! Wie war’s denn in Stockholm?«
»Gut«, sagte Anna vorsichtig. »Ich mag Stockholm. Da ist immer was los.«
Silke schob den Stuhl, den sie gerade abgewischt hatte, mit mehr Kraft an den Tisch, als nötig gewesen wäre. Es gab ein knallendes Geräusch, und Anna zuckte zusammen.
»W 7 illst du deswegen weg?«, wollte Silke wissen. »Weil hier nichts los ist?«
Anna hielt den vorwurfsvollen Blicken ihrer Freundin stand. »Ich weiß es nicht, Silke.«
Silke runzelte die Stirn. »Und die Hochzeit? Ihr wolltet doch im Sommer heiraten! Und du bist dabei, abzuhauen! Das ist nicht fair, Anna, vor allem nicht Bertil gegenüber!« Anna seufzte und stellte den Korb ab, in dem sie die Lebensmittel und die Blumen verstaut hatte. Sie rückte sich einen Stuhl zurecht und setzte sich an den Tisch. »Ich weiß, dass es nicht fair ist.« Bedrückt schaute sie Silke an. »Aber ich war eigentlich nie diejenige, die von Hochzeit geredet hat. Das wart immer nur ihr. Ich... Ich bin einfach noch nicht so weit.«
»Und wieso hast du das Bertil nicht einfach gesagt?« Silke schwenkte aufgebracht den Putzlappen. »Du hättest mit ihm reden können, statt Heimlichkeiten vor ihm zu haben!«
Anna senkte den Kopf und biss sich auf die Lippen. Silke hatte vollkommen Recht, doch sie hatte keine Ahnung, wie schwierig es war, die komplette Lebensplanung eines Menschen, der einen liebte, durcheinander zu bringen.
»Ich wollte ihm nicht wehtun. Ehrlich gesagt, ich hatte Angst, dass er versuchen würde, mich zu überreden...« Sie brach ab, denn in diesem Moment kam Bertil aus der Apotheke.
»Anna, wo bleibst du denn? Ich warte auf das Farbband für die Kasse!«
Anna sprang auf. »Tut mir Leid. Bin schon da.« Sie nahm ihren Korb auf. »Bis dann, Silke.« Sie lächelte ihre Freundin verständnisheischend an, doch Silkes Miene blieb düster.
Anna folgte Bertil zur Apotheke, doch mitten auf dem Platz blieb sie stehen und schaute sich um. »Bertil, wo ist denn mein Auto? Es müsste hier stehen, aber ich sehe es nirgends. Robert Dahlström hat gesagt, dass er es hier
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