Mittsommerzauber
sagen:
»Dieser Mandelpudding... ich hab den Geschmack immer noch auf der Zunge. Irgendwie hab ich immer gedacht, dass so die Kindheit schmeckt.«
Das war es wahrscheinlich. Der Geschmack und der Duft der Kindheit, die plötzlich wieder wach wurden in ihr, sie machten vielleicht dieses sehnsuchtsvolle Gefühl aus, das sie fast überwältigte.
Annicka spürte die Wehmut ihrer Mutter. Als sie merkte, dass ihre Mutter sich langsam entspannte, wurde ihr warm ums Herz. Sie liebte diese ersten Stunden der Ferien, wenn der Stress des Alltags so offensichtlich von Katarina abfiel und diese sich wie ein Kind auf die bevorstehenden Tage freute.
»Vielleicht vermacht dir Onkel Johan ja das Rezept für seinen Mandelpudding... Dann machst du endlich ein eigenes Lokal in Stockholm auf. Und wir werden reich und berühmt.«
Katarina musste jetzt auch lachen. Eine unbestimmte Ahnung überkam sie.
Da standen sie an der Reling der kleinen Fähre. Sie und ihre wunderbare Tochter. Und vor ihnen lag der Sommer. Der Sommer der Entscheidungen.
*
Eine Stunde später legte die alte Fähre mit einem knirschenden Geräusch am Ufer von Rörstrand an. Katarinas Volvo holperte über die eiserne Rampe an Land. Annicka, die den Kopf weit zum Fenster hinausstreckte, sah sich neugierig um. Rörstrand war ein idyllischer Flecken, mehr Dorf als Kleinstadt. Sie fuhren durch eine schmale Einkaufsstraße, die gesäumt war von gelben und roten Häusern, alle nicht höher als zweistöckig. Die Fenster und Türen waren in frischem Weiß gestrichen, was den Häusern ein einladendes Aussehen gab. Die Straße führte zu dem kleinen Hafen, in dem Katarina und Annicka jetzt standen. Katarina ließ den Blick schweifen. Der kleine Ort hatte sich, seit sie damals hier gewesen war, kaum verändert. Noch immer bestand er im Wesentlichen aus der einen schmalen Einkaufsstraße und dem kleinen Hauptplatz, um den sich ein paar Jahrhundertwende-Häuschen in Pastellfarben, die Bäckerei von Elisa Johansson, bei der es diesen wunderbaren Butterkuchen gegeben hatte, und ein neuer, kleiner Supermarkt gruppierten. Am kürzeren Ende des kleinen Platzes lag noch immer das zartblau gestrichene Rathaus, ein schlichter, schöner Holzbau, der von einem kleinen Turm gekrönt wurde.
Sie atmete tief durch. Dieser unverwechselbare Duft nach Meer, nach Hafen, die typischen Geräusche der tuckernden Motorboote und der kleinen Glocken, die an den Masten der Segelboote läuteten, ließen ihre Erinnerung wieder wach werden. Sie erinnerte sich daran, wie sie damals mit ihrem Vater zum ersten Mal hier angekommen war. Sie war ungefähr so alt gewesen wie Annicka jetzt. Ihr Vater Mats hatte sie an einem heißen Sommertag damit überrascht, dass er mit ihr die Insel Rörstrand besuchen wollte, um dort endlich einmal wieder seinen Onkel Johan und dessen Frau Augusta zu besuchen. Katarina, die bis dahin noch nie etwas von einem Onkel Johan gehört hatte, war zunächst überhaupt nicht begeistert von diesem Plan gewesen. Was sollte sie bei diesen, ihr vollkommen unbekannten Verwandten? Sie wollte den Sommer viel lieber mit ihren Freundinnen in Stockholm verbringen. Eis essen, baden, segeln gehen. So sah für sie damals der ideale Sommer aus. Doch da ihr Vater, bei dem sie die Hälfte der langen Sommerferien verbrachte, sich nicht von seinem Plan abbringen ließ, hatte sie sich wohl oder übel fügen müssen. Und dann war es der schönste Sommer ihrer Kindheit geworden.
Ein Lächeln stahl sich jetzt auf Katarinas Gesicht. Sie sah sich, wie sie mit ihrem Vater jeden Tag frisch geräucherten Fisch von diesem kleinen Hafen holte. Wie sie, ihre Hand in der seinen, mit ihm zu Lisbeths kleinem Eisladen schlenderte, wo sie immer eine große Portion Schokoladeneis mit einer noch größeren Portion Sahne bekam.
Unwillkürlich wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund, als wolle sie die Eisreste entfernen, die sie noch auf ihren Lippen zu schmecken glaubte. Ob es Lisbeths Eisladen noch gab? Und Henner, der die Fische in einem kleinen schwarzen Räucherofen direkt neben seinem Boot geräuchert hatte?
Annicka riss Katarina aus ihren Erinnerungen. »Und wo ist jetzt Onkel Johans Haus?«
Das Mädchen sah sie ungeduldig an.
»Komm, lass uns weiterfahren.«
Katarina lachte. »Es liegt ein wenig außerhalb, gleich neben der St.-Anna-Kirche. Ich hoffe, ich finde den Weg noch.«
Annicka lachte. »Wir finden uns in Stockholm mit seinen tausend Straßen zurecht, Mama, da werden wir doch noch
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