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Mittsommerzauber

Mittsommerzauber

Titel: Mittsommerzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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sich bei ihr willkommen.
    »Ihr seid doch bestimmt hungrig von der Fahrt? Habt ihr Lust auf Onkel Johans Mandelpudding? Oder wollt ihr zuerst eure Zimmer sehen?«
    Katarina und Annicka blickten auf den Mandelpudding, den Tante Augusta in die Mitte des Tisches gestellt hatte. Er sah sehr verlockend aus in seinem zartweißen Schmelz, verziert mit dicken, roten Himbeeren, gekrönt von einer luftigen Sahnehaube. Das Wasser lief ihnen im Mund zusammen. Doch Katarina kannte ihre Tochter gut genug, um zu wissen, dass sie darauf brannte zu sehen, wo sie heute Nacht schlafen würde. Schon als kleines Mädchen hatte Annicka sich immer gefreut, wenn sie auf einer Reise mal im Hotel wohnten. Sie liebte es, sich in fremden Zimmern einzurichten. War immer neugierig auf die Möbel, ob es ein großes Bett für sie gab und vielleicht sogar einen kleinen Tisch, ganz für sie allein, an dem sie mit ihren Puppen und ihrem Lieblingsteddybär sitzen und wichtige Gespräche führen konnte.
    »Erst die Zimmer und dann in aller Ruhe der Pudding. Oder, Annicka?«
    Annicka nickte begeistert. Tante Augusta nahm das Mädchen an der Hand.
    »Dann kommt mal mit.«
    Sie lächelte Annicka zu.
    »Ich bin sicher, dein Zimmer wird dir gefallen.«

    *

    »Ein Himmelbett!«
    Annickas Stimme überschlug sich fast vor Begeisterung. »Ich hab mir schon immer ein Himmelbett gewünscht!«
    Sie lief zu dem prächtigen alten Himmelbett, das den kleinen Raum unter dem Dach dominierte. Es war ein typisches Bauernbett aus bunt bemaltem Holz, mit frischer weiß-gelber Bettwäsche, über dem sich ein Himmel aus hellgelbem Voile-Stoff bauschte. Annicka warf sich auf das Bett und starrte in den sonnigen Himmel.
    »Toll, das ist ein richtiges Prinzessinnenbett. Hier werde ich bestimmt gut schlafen.« Sie holte Rolf, ihren alten, vom vielen Schmusen schon ganz abgeknuddelten Teddybären aus ihrem Rucksack und lehnte ihn an das dicke Kopfkissen. Begeistert sah sie sich in dem Zimmer um. Ja, hier gefiel es ihr. Das Bett, der zierliche kleine Tisch am Fenster, auf dem ein Feldblumenstrauß und ein Teller mit Kirschen und Schokolade stand, der einfache alte Bauernschrank und der bunte Flickenteppich machten das Zimmer gemütlich. Katarina stand neben Augusta in der Tür, beobachtete ihre Tochter und genoss ihre Begeisterung. Genauso hatte das Zimmer schon ausgesehen, als Katarina damals ihre Ferien hier verbracht hatte. Und so hingerissen wie Annicka jetzt war Katarina damals gewesen. »Es hat sich nichts verändert. Du weißt immer noch, was kleine Mädchen mögen.«
    Sie drückte Tante Augusta an sich. Schnupperte und lächelte in sich hinein. Es roch sogar noch wie damals.
    Sie wusste, das war das Bienenwachs, mit dem Tante Augusta die schönen alten Möbel und den Dielenboden aus den breiten Lärchenbohlen, die bei jedem Schritt leise knacksten, pflegte. Wieso hatte es eigentlich so lange gedauert, bis sie wieder hierher gekommen war? Katarina fühlte den Anflug eines Bedauerns darüber, nicht öfter nach Tärna gefahren zu sein. Wie oft war sie mit Annicka zum Zelten in den Süden gefahren? Auf überlaufene Zeltplätze am Mittelmeer, wo sie es vor Hitze kaum ausgehalten hatten? Und wie oft waren sie in einer schäbigen kleinen Pension gelandet, weil Katarina sich als Auszubildende nicht mehr hatte leisten können und sich um nichts in der Welt von irgendjemandem das Geld für einen Urlaub mit ihrer kleinen Tochter hatte leihen wollen? Sie war gar nicht auf die Idee gekommen, nach Tärna zu fahren, wo sie, wie sie jetzt wusste, von Tante Augusta und Onkel Johan jederzeit herzlich aufgenommen worden wäre.
    Aber so war das eben in dieser Zeit gewesen, als sie als sehr junge Mutter allein mit ihrer kleinen Tochter gewesen war. Sie hatte viel zu viel Stolz gehabt, wollte sich von niemandem helfen lassen, war wild entschlossen gewesen, alles allein zu schaffen. Die Lehre als Köchin, die Erziehung ihrer Tochter. Es waren schwere Jahre gewesen. Doch sie hatte sich niemals entmutigen lassen, hatte geschuftet wie eine Sklavin, jede Öre gespart, hatte nie mehr als fünf, sechs Stunden geschlafen, und wenn sie jemand nach dem neuesten Kinofilm gefragt hatte oder einem Buch, das sich seit Wochen in den Bestsellerlisten auf Platz eins befunden hatte, hatte sie nicht gewusst, wovon die Rede war. Natürlich hätte sie es sich einfacher machen können. Hätte Geld nehmen können von ihrer Mutter. Doch um welchen Preis? Immer hätte sie sich anhören müssen, dass sie sich nicht

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