Mittsommerzauber
hätte von Harald trennen dürfen, dass es verantwortungslos sei, Annicka schon so früh in eine Kinderkrippe zu geben, und dass es doch am besten wäre, wenn sie sich einen netten, gut situierten Mann suchen würde, der für sie und das Kind sorgte.
Katarina schauderte bei dieser Erinnerung ein wenig. Ihre Mutter war seit ein paar Jahren tot, doch Katarina hatte den enttäuschten Ton ihrer Stimme immer noch im Ohr. Maja hatte sich für ihre einzige Tochter nicht das Leben einer berufstätigen und auch noch allein erziehenden Frau gewünscht. Wie hatte ihr Kind nur in diese Situation rutschen können? Sie hatte sie mit Vorwürfen überhäuft, hatte einfach nicht verstehen können, dass Katarina diesen schwierigen Weg für sich gewählt hatte. Erst spät, als Maja schon sehr krank war, hatte sie akzeptiert, dass ihre Tochter ihre eigenen Entscheidungen treffen musste. Sie hatte gesehen, dass Annicka zu einem fröhlichen, selbstbewussten Mädchen heranwuchs und dass Katarina die ersten Erfolge als Köchin zu verzeichnen hatte. Und so war es kurz vor Majas Tod zu einer späten Versöhnung zwischen ihr und Katarina gekommen. Ein Umstand, für den Katarina sehr dankbar war.
*
Wenig später, nachdem Katarina ihr ebenso reizendes Zimmer - allerdings ohne Himmelbett - bezogen hatte, wurden Annickas Augen vor stummem Wohlgefühl ganz rund. Der Mandelpudding. Tante Augusta hatte ihr die erste Portion des weißen Gedichts auf den Teller getan, und Annicka hatte vorsichtig prüfend einen kleinen Löffel in den Mund geschoben. So wie sie es aus dem Zusammenspiel mit Katarina kannte, die oft, wenn sie neue Gerichte ausprobierte, Annicka als kompetente Testerin einsetzte.
»Das schmeckt...« Annicka suchte nach Worten. »Es schmeckt, wie... wie wenn die Wolken vom Himmel in Puderzucker gefallen wären. In Puderzucker und ein bisschen Vanille.«
Augusta, die das Mädchen neugierig beobachtet hatte, lachte leise auf.
»Was für ein schönes Bild. So hat ja noch nie jemand Onkel Johans Pudding beschrieben.«
»Aber es stimmt.«
Katarina lachte und nahm jetzt selbst ein wenig Pudding in den Mund.
»Leicht wie eine Wolke am Sommerhimmel. Annicka hat einen gut ausgebildeten Geschmackssinn. Wenn ihr etwas schmeckt, dann kannst du wirklich sicher sein, dass es auch was ganz Hervorragendes ist. Und Onkel Johans Pudding ist ja auch hervorragend. Verrätst du mir die Zutaten, Tante Augusta?«
Augusta betrachtete Mutter und Tochter. Was für eine Freude, die beiden hier auf Tärna zu haben. Fast konnte sie den Kummer um Johans Tod, der ihr ganzes Leben durcheinander gebracht hatte und sich wie ein grauer Schatten auf ihre Seele gelegt hatte, dadurch ein wenig vergessen. Hier war das Leben. Katarina strahlte so viel Kraft und Lebensfreude aus. Und Annicka war so aufgeschlossen und zutraulich. Sie ertappte sich dabei, dass sie sich heimlich wünschte, die beiden könnten länger hier bei ihr bleiben. Doch sofort wies sie sich innerlich zurecht. Katarina hatte ihr ja am Telefon gesagt, dass sie nur eine Nacht bleiben würden, weil sie für die Ferien eine Reise nach Spanien gebucht hatten.
Also würde sie versuchen, nur den Moment mit den beiden zu genießen und nicht daran zu denken, was morgen sein würde. Oder übermorgen.
Eine Weile und viele Löffel Pudding später riss sie sich aus ihren Gedanken. »Seid ihr satt?«, fragte sie die beiden und stand auf.
Katarina und Annicka nickten.
»Ich könnte zwar den ganzen Pudding aufessen, aber ich denke, das wäre unvernünftig.«
Katarina schob ihren Teller ein wenig von sich weg, konnte sich aber nicht beherrschen, noch eine der Himbeeren von der Platte zu nehmen. Wie sie es schon als Kind gemacht hatte, zerdrückte sie die Himbeere mit ihrer Zunge am Gaumen und spürte diesem unvergleichlichen Aroma nach, das nur Himbeeren haben. Spürte die leichte Säure, die am Gaumen prickelte und sich mit einer sanften Süße vermischte, genoss die Würze, die an einen sonnendurchglühten Birkenwald erinnerte und diese ganz eigene samtig-reife Konsistenz der Beere. Für Katarina waren Himbeeren jedes Mal ein veritables Duft- und Geschmacksfest. Die Himbeere war die Königin der Beeren. Trug alles in sich, was die Träume von einem idealen Sommer verhießen. Katharina liebte es, in den kurzen, schwedischen Sommern immer neue Gerichte zu erfinden, in denen die Himbeere eine Hauptrolle spielen konnte. Und musste doch zugeben, dass es nichts gab, was den reinen, unverfälschten Geschmack der
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