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Mittsommerzauber

Mittsommerzauber

Titel: Mittsommerzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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spannende Leben auf dem Schiff auszumalen - ihre Vorstellungen blieben seltsam verschwommen. Dafür tauchte andauernd Roberts Gesicht in ihren Gedanken auf. Sie sah ihn vor sich, wie er mit ernster Miene über den Holzabbau in den kanadischen Wäldern dozierte oder wie er ganz plötzlich über eine ihrer Bemerkungen in Lachen ausbrechen konnte. Sie stellte ihn sich in allen möglichen Situationen vor, erlebten und fiktiven. Sie wusste, wie er aussah, wenn er wütend oder besorgt oder zärtlich war, und wie seine Stimme klang, wenn er traurig war. Wenn er schlief, sah er aus wie eine antike römische Götterstatue, ein stummer, in Träumen versunkener Apoll.
    Am ausgeprägtesten waren die Bilder, die ihn als Liebhaber zeigten, kraftvoll und dominant, dabei jedoch von einer Zärtlichkeit und Geduld, die sie am Ende, als sie in seinen Armen die Erfüllung gefunden hatte, zum Weinen gebracht hatte.
    Sie verharrte plötzlich. Eine Kiste mit Medikamenten in den Händen, starrte sie blicklos die Regale an und begriff unvermittelt, dass sie das Offensichtliche bisher nicht hatte wahrhaben wollen.
    Sie liebte diesen Mann.
    Die Erkenntnis erfüllte sie mit Freude, aber auch mit Furcht. Ihre ganzen Lebenspläne schienen mit einem Mal auf den Kopf gestellt, und die Probleme türmten sich in einer nie gekannten Höhe vor ihr auf. Doch im nächsten Augenblick erschien ihr alles ganz einfach, denn sie erkannte das Wesentliche: Sie konnte nicht Weggehen. Nicht, solange Robert hier war.
    Als sie Schritte hinter sich hörte, hätte sie um ein Haar die Kiste fallen lassen.
    Bertil, der im Türrahmen stehen geblieben war, räusperte sich. Sein Gesicht hatte einen seltsam feierlichen Ausdruck.
    »Anna, ich habe viel nachgedacht in den letzten Tagen. Und ich glaube, ich habe verstanden, worum es dir geht.
    Du musst wohl wirklich einen Tapetenwechsel haben. Und so eine Kreuzfahrt - das soll ja tatsächlich etwas ganz Besonderes sein.«
    »Was möchtest du mir sagen, Bertil?«
    »Also, ich war ja auch noch nie so richtig weg von hier. Nur die paar Jahre während des Studiums. Und da war ich an den Wochenenden und in den Ferien auch immer hier in der Apotheke, um meinem Vater zu helfen.«
    »Was dir aber Spaß gemacht hat«, meinte Anna, von leisem Argwohn beschlichen. Sie ahnte, dass das, was als Nächstes käme, ihr nicht gefallen würde.
    »Ja, sicher«, sagte Bertil. »Aber weißt du, ich habe mir überlegt, dass wir beide zusammen für eine Weile Weggehen könnten.«
    Sie runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht. Was genau meinst du damit?«
    »Ich habe schon bei der Reederei nachgefragt«, sagte er eifrig. »Auf allen Schiffen gibt es natürlich Bordapotheken. Sie sind richtig groß, mit einem umfassenden Sortiment, genau wie an Land. Ich habe mich erkundigt. Sie brauchen auch immer wieder approbierte Apotheker. Verstehst du?«
    Anna konnte ihn nur stumm anstarren. Er stand vor ihr wie ein Magier, der das sprichwörtliche Kaninchen aus dem Zylinder gezaubert hatte.
    »Auf mindestens zwei Schiffen ist eine Stelle frei.« Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. »Unter anderem auf der Victoria. Wie findest du das?« Die Frage war offenbar rein rhetorisch, denn er wartete ihre Antwort nicht ab. »Ich habe vor, mich zu bewerben.«
    »Aber deine Apotheke!« Sie sagte das Erstbeste, das ihr einfiel. »Du kannst sie doch nicht im Stich lassen!«
    »Hör mir zu, Anna.« Er kam näher und blieb dicht vor ihr stehen. »Ich will dich nicht verlieren. Und wenn es für uns beide eine Chance gibt, so werde ich sie nutzen. Es sei denn, du sagst mir, es hätte keinen Sinn.«
    Anna fühlte sich wie ein Tier in der Falle. Sie bückte sich, um die Kiste abzustellen und dabei gleichzeitig ihren schuldbewussten Gesichtsausdruck zu verbergen. Von wachsender Verzweiflung erfüllt, suchte sie nach Argumenten, um ihm begreiflich zu machen, dass seine Pläne absurd waren, doch sie fand keine Worte.
    Das Bimmeln der Türglocke verschaffte ihr eine Galgenfrist. »Kundschaft«, sagte sie, während sie an Bertil vorbei in den Laden eilte. Doch es war kein Kunde, sondern Harald. Er sah aus wie ein Kater, der soeben eine Maus verspeist hatte.
    »Hej, Anna«, sagte er. »Ich muss mit dir reden.«
    »Lasst euch nicht stören.« Bertil lächelte Anna liebevoll an. »Ich muss sowieso noch zu Doktor Hanneken.«
    Sie nickte mit niedergeschlagenen Augen und kam sich vor wie die letzte verlogene Schlampe. Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen können? Er plante

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