Mittsommerzauber
treiben, nur weil ihr Geld für euer dämliches Haus in Chicago braucht!«
David hob die Hände. »Darf ich auch mal was sagen?« Er besaß tatsächlich die Frechheit, sie anzulächeln. »Gustav wird gerade in diesem Moment operiert. In vier Wochen ist er wieder bei seinen Schafen.«
Eva konnte ihn nur perplex anstarren. Sein Lächeln wurde breiter. »Und wenn du wissen willst, was mit Chicago ist...?« Er sprach den Satz nicht zu Ende. Ein provozierendes Funkeln stand in seinen Augen.
Eva nickte mit trockenem Mund.
»Nun, ich gehe nicht«, sagte er ruhig. »Nicht nach Chicago. Und nicht mit Monica.«
»Du meinst...«
Er nickte. »Genau das meine ich.«
Damit war im Grund alles gesagt. Eva brauchte keine weiteren Erklärungen mehr, nur noch seine ausgestreckten Arme. Mit einem erleichterten Auflachen flog sie an seine Brust, und als er sie an sich presste, fing das Karussell an sich zu drehen. Der Himmel wirbelte in endloser Bläue, und der Boden unter ihren Füßen verschwand. Doch diesmal war sie keinen Augenblick lang in Gefahr, denn sie wusste, dass jemand da war, um sie sicher festzuhalten.
*
David saß auf dem oberen Balken des Gatters, die Füße gegen den Mittelbalken gestemmt und mit der Hand die Augen vor der Sonne abschirmend. Es war einer der letzten schönen Tage des Sommers. Der Wind fuhr durch die Birken und brachte bereits einen Hauch des nahenden Herbstes mit sich, und auf der Terrasse war es trotz des Windschutzes so frisch, dass sie Jacken brauchten. Sie würden in diesem Jahr nicht mehr oft zusammen draußen sitzen können, und David genoss jede einzelne Minute dieses Beisammenseins. Gustav schien es ebenso zu gehen. Er saß auf der Terrasse und wirkte entspannt und zufrieden. Britta und Peter waren diesmal auch mitgekommen und präsentierten an der Kaffeetafel stolz den ersten Zahn ihres Nachwuchses. Malin kam aus dem Haus, ein Tablett mit Kuchen balancierend. Sie hatte überraschend schnell Frieden mit Gustav geschlossen, was vermutlich zu einem nicht unerheblichen Teil damit zusammenhing, dass ihre Firma dank seiner Wolle ständig expandierte. Doch unterm Strich kam es darauf nicht an, denn sie war immer gleich bleibend freundlich zu dem Alten und erwähnte niemals auch nur mit einem einzigen Wort die unselige Vergangenheit.
Eva und Akka scheuchten in Gemeinschaftsarbeit die Schafe von der Weide zum Pferch, verfolgt von Gustavs halb zweifelnden, halb wohlwollenden Blicken. So ganz schien er sich noch nicht daran gewöhnt zu haben, so viele Menschen um sich zu haben, doch David hatte den Eindruck, dass der Alte sich redlich bemühte, aus seinem Schneckenhaus herauszukommen. Die meiste Zeit mussten sie sich zwar selbst einladen, doch Gustav sagte niemals, dass es ihm nicht passte. Im Gegenteil: Immer, wenn sie sich in geselliger Runde bei ihm trafen, tischte er seinen besten Käse auf.
Mittlerweile produzierte er nur noch für den Eigenbedarf, denn den größten Teil der Käseerzeugung und Schafzucht hatte er in die Hände von David gegeben, von dem er im Gegenzug eine kleine Leibrente erhielt, die ihm ein bequemes Auskommen ermöglichte.
Eine moderne Melkstation und eine neue Käserei auf dem Nachbargrundstück, wo sich auch Davids und Evas kürzlich fertig gebautes Haus befand, waren der Grundstock für Davids frisch gegründete Existenz als Schafzüchter. Er hatte sich, wie er selbst fand, inzwischen stark verbessert, was die Erzeugung von ordentlichem Käse betraf. Seinem Job in Stockholm trauerte er ebenso wenig nach wie dem Angebot in Chicago. Er war noch nicht ganz so erfolgreich wie seine Frau, die mit ihren Strickkollektionen einen wahren Boom ausgelöst hatte, doch er arbeitete daran.
Auch Monica war zufrieden bei Unicom, wie Gustav zu berichten wusste. David freute sich ehrlich darüber, aber mehr noch empfand er es als Erleichterung, dass Monica sich mit Gustav ausgesöhnt hatte. Sie hatte ihn gleich nach der Operation im Krankenhaus besucht und ihren Frieden mit ihm gemacht. Seither schrieb sie ihm oft und rief auch regelmäßig an. Offenbar übte ihr neues Leben einen positiven Einfluss auf sie aus. Neulich hatte Gustav erzählt, dass sie in ihrem letzten Bxief einen Mann erwähnt hatte, den sie kennen gelernt hatte.
David ging das Herz auf, als er sah, wie Gustav dem Baby komische Grimassen schnitt und es zum Lachen brachte. Manchmal, so überlegte David, lohnte es sich eben doch, hartnäckig zu sein. Was ihn selbst betraf, galt dasselbe. Besonders in Bezug
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