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Mittsommerzauber

Mittsommerzauber

Titel: Mittsommerzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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seines strohblonden Haares widerspenstig ins Gesicht. Wie oft hatte er sich über die Strähne beschwert! Er hatte sie abgeschnitten, mit Gel angeklebt, hatte versucht, sie in eine andere Richtung zu kämmen, doch es hatte alles nichts geholfen, und irgendwann hatte er sich damit abgefunden, dass sein an sich durch und durch seriöses Auftreten immer ein wenig durch die ungezogene Haarsträhne, die ihm in die Augen hin, konterkariert wurde. Am liebsten wäre Viveca zu ihm hingegangen und hätte ihm die Strähne liebevoll aus dem Gesicht gestrichen, doch diese mütterliche Geste hatte sie sich vor vielen Jahren abgewöhnen müssen, als ihr damals dreizehnjähriger Sohn ihr unmissverständlich klar gemacht hatte, dass er für sein Aussehen allein verantwortlich sei und er umgekehrt seiner Mutter ja auch nicht dauernd ins Gesicht fasse, nur weil sich eine ihrer blonden Locken mal wieder selbstständig gemacht hatte.
    Sie lächelte. Was Sven wohl zu ihrer Überraschung sagen würde? Eigentlich war er kein Freund von Überraschungen. Er ging das Leben planvoll an, steckte sich
    Ziele, entwarf Handlungswege und mochte es gar nicht, wenn etwas nicht so voranging, wie er sich das vorgestellt hatte. Egal, ob auf dem geschäftlichen oder privaten Sektor. Es gab Freunde, die ihm vorwarfen, er sei zu unflexibel und er würde sich das Leben nur unnötig schwer machen. Doch Viveca erkannte in diesem Charakterzug ihren Mann Max wieder. Auch dieser hatte Strukturen gebraucht, war unglaublich organisiert gewesen und ein Meister darin, Handlungspläne zu erstellen. Viveca, die selbst sehr diszipliniert war, wünschte sich manchmal, dass ihr Sohn nur ein wenig mehr Lässigkeit hätte, ein wenig Übermut und Unbekümmertheit. Sie hatte oft das Gefühl, dass er das Leben und die Pflichten, die es ihm auferlegte, zu schwer nahm. Ob er manchmal daran dachte, wie kurz es sein konnte? Wie schnell es vorbeiging?
    Sven, der nichts von den schwermütigen Gedanken seiner Mutter ahnte, steuerte die Yacht an einen langen hölzernen Steg, der von einem Podest aus ins Wasser ragte. Er stoppte den Motor und sprang auf den Steg, um die Yacht mit einem Tau festzumachen. Dann reichte er nacheinander seiner Mutter und Marita die Hand, um ihnen beim Aussteigen zu helfen. Marita sprang mit einem leichten Satz an Land. Viveca blieb noch einen Moment stehen. Sie ließ den Blick schweifen. Und seufzte leise.
    »Alles in Ordnung, Mama?« Sven spürte die Unruhe seiner Mutter. Er wusste, dass sie zum ersten Mal seit vielen Jahren an den Ort ihrer Kindheit zurückkehrte.
    Viveca sah in Svens besorgte Augen und lächelte.
    »Ja«, sagte sie aus tiefstem Herzen. »Das ist meine Insel.«
    Viveca stieg vorsichtig an Land. Sie war eine elegante, sehr städtische Erscheinung in schmalen, schwarzen Hosen und einem modischen weißen Blazer, unter dem sie ein seidenes Hemd trug. An ihren Ohren glänzten die großen schwarzen Perlen, die sie von ihrem Mann zu ihrem fünfzigsten Geburtstag bekommen hatte und die sie seitdem nie mehr abgelegt hatte.
    Sie nahm Svens Hand, sah sich nach Marita um, die ihr ein abwesendes Lächeln schenkte, und ging mit ihm über das Podest, auf dem eine sehr elegante weiße Sitzgruppe stand, an Land. Um sie herum war nichts als Grün. Die Wiese reichte bis zum Wasser, die Bäume standen im Frühsommersaft. Auf den alten Kastanien konnte man schon die ersten, kleinen grünen Früchte sehen.
    »Ich will ja nicht vorlaut sein«, sagte Sven jetzt verschmitzt, »aber willst du uns nicht verraten, was wir hier eigentlich machen?«
    Marita nickte und fügte hinzu, dass sie es ja ganz nett fände, wenn man hin und wieder mal einen Ausflug auf die Inseln machte, aber mitten in der Woche? Ob das wirklich sein müsse?
    »Ja, es muss sein, sonst hätte ich es nämlich nicht mehr ausgehalten«, gab Viveca zur Antwort und wusste genau, dass Sven und Marita sich jetzt noch mehr den Kopf zerbrachen.
    Aber schon tat sich vor ihnen, zwischen ein paar Birken, der Blick auf, von dem Viveca so sehr gehofft hatte, dass er noch existieren möge.
    »Das ist mein Haus.«
    Vivecas Satz verfehlte seine Wirkung nicht. Sven sah sie überrascht an.
    »Dein Haus? Du willst damit sagen, dass dieses Haus da oben... dass das dir gehört?«
    »Seit zwei Wochen, ja.«
    Viveca freute sich wie ein Kind über das verblüffte Gesicht ihres Sohnes, der jetzt einen schnellen, ungläubigen Blick mit Marita wechselte.
    »Das heißt, du hast dieses Haus gekauft?«
    Marita konnte es nicht

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