Mittsommerzauber
Maritas lange, feingliedrige Arme um seinen Hals. Er spürte das seidene Hemdchen, das sie nachts meistens trug, an seinem Rücken, ihren Atem an seiner Wange.
»Es ist fast zwei, Liebling. Willst du nicht langsam mal aufhören zu arbeiten?«
Sven nahm ihre Hand, hielt sie fest und drückte einen leichten Kuss darauf.
»Noch eine halbe Stunde. Ich bin noch nicht ganz durch mit dem neuen Vertragsentwurf.«
»Hast du dazu nicht deine Rechtsabteilung?«
Marita nahm einen Schluck aus seinem Whiskyglas. Verzog ein wenig das Gesicht, sie mochte den rauchigen Geschmack des schottischen Whiskys nicht so gerne. Normalerweise bevorzugte sie Bourbon, die aus Mais gebrannte, amerikanische Variante, die für ihren Geschmack wesentlich milder war.
»Es geht um meine Firma. Ich muss verhindern, dass dein Vater sie mit Haut und Haaren schluckt. Du weißt, wie unersättlich er ist.«
»Du wirst dich schon zu wehren wissen.«
Sie setzte sich lächelnd auf den Tisch vor ihm. Baumelte mit den Beinen. Ihr Blick war eine einzige Provokation.
»Komm«, ihre Stimme klang ein wenig heiser, »lass uns die Betten ausprobieren. Sie sehen zwar alt aus, aber deine Mutter hat sie alle mit neuen Matratzen ausgestattet.«
Sven wusste das. Seine Mutter hatte es ihm schon erzählt. Das Haus hatte einer alten Stockholmer Kaufmannsfamilie gehört und war mit erlesenen Antiquitäten und sehr schönen alten Bildern ausgestattet. Sie hatte das Haus komplett möbliert gekauft und nur die Sofas und Sessel neu beziehen lassen, mit edlen hellen Leinenstoffen, hatte passende Gardinen in alle Zimmer hängen lassen und ein paar der alten Teppiche ausgetauscht, die doch schon zu verschlissen gewesen waren. Sie hatte einige ihrer kleinen Lieblingsskulpturen des dänischen Jugendstilkünstlers Jonasson in den Räumen verteilt, und viele der alten Bücher, die ihr Mann Max mit großer Leidenschaft gesammelt hatte, hatten in den großen, gläsernen Bücherschränken im Wohnzimmer eine neue Bleibe gefunden. Mit diesen wenigen Mitteln war es ihr in kürzester Zeit gelungen, dem Haus ihre eigene, besondere Note aufzudrücken, sodass es sich anfühlte, als würde Viveca schon seit vielen Jahren hier leben und nicht, als wäre das Haus erst seit ein paar Tagen in ihrem Besitz.
Marita hatte jetzt Svens Hand genommen und angefangen an seinen Fingern zu ziehen. Ein Spiel, das sie schon als Kinder gespielt hatten. So lange an den Fingern des anderen zu ziehen, bis die Gelenke knackten. Viveca hatte sie immer gescholten, wenn sie bemerkt hatte, was sie taten. Es schade den Gelenken, hatte sie immer gesagt, und das wollte sie auf keinen Fall. Vor allem nicht, weil sie lange Zeit die Hoffnung gehegt hatte, dass Sven Pianist werden würde. Sein Fingergelenk knackste. Das Geräusch schien viel lauter als sonst. Sven entzog Marita seine Hand.
»Nicht.«
Sie sah ihn verblüfft an. Was hatte er plötzlich gegen ihr Spiel?
»Es ist zu laut.«
Marita glaubte nicht richtig zu hören. Zu laut? Redete er wirklich von dem leisen Knacken seines Gelenks?
»Es stört die Stille«, bekräftigte er.
»Prima«, lachte sie, »mir ist es hier sowieso viel zu still. Ich wünschte, ich hätte meinen i-Pod nicht in der Galerie liegen lassen.«
Sven nickte, Marita und ihr i-pod. Wo sie ging und stand, hatte sie die Ohrstöpsel des Musikgeräts in den Ohren. Sie war keine Minute am Tag ohne akustische Berieselung, außer vielleicht unter der Dusche, oder wenn sie zum Workout beim Schwimmen oder Squash war. Doch das hatte sie vor kurzem gegen Joggen getauscht. Weil sie beim Joggen Musik hören konnte, wie Sven vermutete.
»Sei doch mal still und hör einfach hin.« Konnte es wirklich sein, dass sie es nicht wahrnahm? Diese tiefe Stille, die über dem Land lag. Diesen Frieden.
Marita bemühte sich wirklich, Sven zu verstehen. Doch schon nach einer Sekunde fing sie an, mit den Beinen zu zappeln. Sie sprang vom Tisch und ging auf ihren roséfarbenen Manolo-Blahnik-Mules hin und her.
»Also, mir macht das eher Angst. Wenn ich so im Bett liege und draußen gar nichts zu hören ist. Man könnte meinen, man wäre tot.«
Sven lachte leise auf.
»Deswegen willst du, dass ich ins Bett komme?«
»Nicht nur deswegen«, sagte sie leise. Und ehe er es verhindern konnte, fuhr ihre Hand unter sein Hemd. Sie beugte sich zu ihm, küsste ihn auf die Lippen. Murmelte dabei:
»Du hast doch nicht vergessen, was man im Bett alles machen kann? Und ich vermute, auf dem Land ist das alles noch viel
Weitere Kostenlose Bücher